Die ultimative Schottland Erfahrung
Teil 1
Unser Schweizer Wetter ist nun wirklich eine grosse Jammerpartie. Obschon wir angeblich nur knapp einer Dürre entgangen zu sein scheinen, fühlen sich die Wochen nach Ostern vielmehr wie ein schottischer Winter an. Ironischerweise zeigt uns ein Blick auf die Wetterkarte, dass in Schottland zu dieser Zeit fast immer viel schöneres Wetter herrscht, als bei uns. Wenn das mal nicht genügend Grund ist, nach sechs Wochen im «Homeoffice» endlich wieder aufzubrechen.
Wie immer, wenn das grobe Ziel (Schottland) weit weg liegt, macht man sich Gedanken, was man auf dem langen Weg dahin noch alles erleben will. Für uns ist schnell klar, die erste Nacht muss unbedingt wieder in der Natur sein. Der Schwarzwald bietet sich hierzu förmlich an. Nach der obligaten Beschaffung einer EU SIM Karte und ein paar zusätzlichen Besorgungen bei DM und Kaufland geniessen wir die tolle Fahrt quer durch Deutschlands grösste Waldpartie. Zum Schluss der heute fast 300 Kilometer langen Strecke erklimmen wir noch den 900 Meter hohen Teufelsberg südlich von Loffenau und parken gleich neben einer Sternwarte. Das verspricht doch wenig Lichtverschmutzung und somit auch absolute Ruhe. Ach sind wir glücklich wieder auf Achse zu sein. Schon der allererste Übernachtungsplatz ist topp und bestätigt uns gleich wieder, dass das Reisen mit einem Expeditionsfahrzeug halt schon grosse Vorteile hat.
Tag zwei bringt uns zum Ursprung unseres FRAME. Da, wo wir ihn zum ersten mal im feuerroten Lack auf dem Hof von Merex stehen sahen. Wir sind hier in der Geburtsstätte der Unimogs schlechthin, in Gaggenau. Ja da gibt es glaube ich auch Küchen anzuschauen, aber ein Besuch im Unimog Museum ist uns da schon zehnmal lieber ;-). Eindrücklich, was unser Tausendsassa Unimog für eine Geschichte hat. Nur zu schade, dass genau unser Modell, der U1550 auf dem publizierten Stammbaum vergessen wurde. Wir machen, die Museumsmenschen auf den Lapsus aufmerksam und werden versichert, dass dies bei der nächsten Gelegenheit korrigiert wird. Hiermit erhöhen wir den Druck auf Gaggenau. Jungs, der U1550 muss auf die Unimog Familienchronik!!
Mit Erlaubnis des Hauses posieren wir noch kurz mit FRAME neben ein paar Museums-Exponaten. Er sei halt schon der schönste in der Familie, wurde uns später von Freunden zu diesem Familienfoto gesagt. Selbstverständlich glauben wir das unseren Freunden nur allzu gerne.
Nach Gaggenau folgt ein kleiner Abstecher ins Saarland. Gute Freunde aus unserer Zeit in der Mongolei wohnen hier idyllisch auf dem Lande, unweit der französischen Grenze. Zuerst kommen wir aber nochmals ganz schön ins Schwitzen. Wir hofften ohne Aufzutanken bis Luxemburg zu kommen, denn da gibts den Diesel für Euro 1.40! Wir laufen jedoch langsam aber sicher leer, was uns schliesslich zwingt von der Autostrasse runterzufahren und ein paar Liter in Reserve zu tanken.
Rechtzeitig zum Apero treffen wir bei Rita und Manfred ein. Wir dürfen mitten im frisch gemähten Feld neben ihrem Haus parken. Ein Bett im Kornfeld, wie man es sich romantischer nicht wünschen könnte. Die beiden verwöhnen uns mit einem vorzüglichen Abendessen, das wir zum ersten Mal in dieser Saison im Garten geniessen können. Petrus sei Dank!
oben: Die Kreativität in Person: Rita Walle vor ihrem Atelier in Blieskastel
unten: Der nachweislich älteste Tabakladen der Welt, zufällig entdeckt... in Blieskastel
Die Schlechtwetterlage scheint nun ja wirklich vorbei zu sein. Auch der nächste Tag begrüsst uns mit stahlblauem Himmel. Bis Luxemburg sind es tatsächlich noch immer um die hundert Kilometer und wir sind froh, nicht mehr ständig auf die Tankanzeige schauen zu müssen. In Schengen, gleich hinter dem Grenzstein zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg fahren wir zur erst besten Tankstelle. In der Schweiz meiden wir normalerweise grenznahe Tankstellen, da wir der Meinung sind, dass die nicht die besten Preise bieten. In Luxemburg gibt es aber landesweit einen Einheitspreis, ob auf Autobahn oder gleich an der Grenze. Heute liegt dieser bei Euro 1.414, im Vergleich zu unserem Dieselpreis von CHF 1.96 geradezu ein Schnäppchen.
Es wird Zeit unsere neuen Tankdeckel auf die Probe zu stellen. In Marokko haben wir im Gelände oft ein wenig Treibstoff durch die etwas undichten Deckel verloren. Nichts Schlimmes, aber es sah zuweilen einfach nicht schön aus, da stets Staub und Sand an den feuchten Tanks kleben blieb. Während unseres Boxenstopps in der Schweiz haben wir uns nun neue Deckel organisiert und jetzt werden unsere beiden zusammen über 400 Liter fassenden Tanks endlich wieder einmal randvoll gefüllt.
Die Stadt Luxemburg wird von uns heute nur umfahren. Auf Empfehlung unserer Saarländer Freunde fahren wir direkt in die Luxemburgische Schweiz anstatt in die Hauptstadt. Das Mullerthal soll vermutlich Ähnlichkeit mit der Schweiz haben, was ihm diesen Namen bescherte. Wer kann das besser beurteilen als wir Schweizer ;-)
In der Tat, die Gegend ist ganz schön, aber genauso war es das Saarland gestern und der Schwarzwald vorgestern. Zum Schluss fahren wir runter ins Tal auf einen bezeichneten Stellplatz, der auch als Startpunkt für etliche Wander- und Fahrradwege dient. Somit sind wir hier nicht die einzigen, die an diesem Pfingstwochenende bei schönstem Wetter Erholung in der luxemburgischen Schweiz suchen. Schön, aber auch ganz schön voll lautet unsere Bewertung dieser Gegend. Obschon wir ja noch einen Reservetag zur Verfügung hätten bis zu unserem Termin beim Boxbauer in Köln, fahren wir am Sonntagmorgen schon wieder weiter.
Die heutige Etappe führt uns zurück nach Deutschland an die Gestade des Rursees. Wir staunen nicht schlecht, wie viel Platz hier in Deutschland doch immer noch ist. Nach dem Schwarzwald und dem Saarland empfinden wir auch die Eifel als gross und leer. Die Wälder sehen hier aber weit weniger gesund aus als noch im Süden und trotzdem geniessen wir auch hier wieder in einem Wald ausserhalb der Gemeinde Schmidt stehen zu dürfen. Ja, richtig gelesen, hier heissen tatsächlich nicht nur die Menschen Schmidt, sondern gleich ganze Dörfer.
Um wie verabredet am Dienstagmorgen um neun Uhr bei Orangework in Köln auf der Matte zu stehen, haben wir uns für die Übernachtung von Montag auf Dienstag einen möglichst stadtnahen Park4Night Platz gesucht. Und wie es der Zufall so will, landen wir da an der Privatadresse von Sabine und Achim in Rösrath. Die beiden bauen nicht nur selbst gerade ihr Traumfahrzeug, sondern vertreiben auch seit neulich geeignete Bettsysteme für Mobilhomes und Expeditionsfahrzeuge in ganz Nordeuropa. Da gibt es natürlich tonnenweise Gesprächsstoff und gleich auch ein grosszügiges Prawn Pasta Dinner mit einem feinen Tropfen unseres Lieblingsweins dazu. Wir kommen an diesem Feiertag als Kunden auf diesen Park4Night und verlassen am kommenden morgen ganz lieb gewonnene neue Freunde.
Der Rest dieser Woche gehört nun den Gebrüder Schmidt und ihrem Team von Spezialisten bei Orangework, um unser Haus auf Rädern nach einem Jahr der Erprobung noch weiter zu optimieren. Wir fühlen uns auf dem Werksgelände schon rasch als Teil der Orangework Familie und können es kaum erwarten unseren FRAME von seinen Kinderkrankheiten zu befreien. Alle Klein- und Kleinstarbeiten werden zeitgerecht erledigt und schon am Freitagmittag werden wir wieder «in die Freiheit» entlassen.
oben: Kühlschrank wird ausgebaut und durchgecheckt. Geduldiges Warten ist angesagt
unten links: Zu einem Besuch in Köln gehört auch immer ein Wiedersehen mit unseren Overlander-in-Spe Freunden Martina & Bernhard
unten rechts: Deutsche Gross- & Kleinschreibung in FRAME grün. XXS Trabi vor XXL Unimog
Bis zu unserem nächsten Date im südholländischen Kaatsheuvel bleibt uns aber heute nicht genügend Zeit und somit fahren wir auf der verkürzten Etappe bis zum Tagebau von Hambach nordwestlich von Köln. Die Menschen hier sind äusserst freundlich und gesprächig.
Selbstverständlich sind sie nicht alle gleicher Meinung über diesen Tagebau oder die Energiewende schlechthin. Fakt ist, Hambach ist Europas grösstes Braunkohlewerk und gemäss Beschluss vor ein paar Jahren wird er 2030 stillgelegt und das gesamte Gelände der Natur zurückgegeben. Ob dies dem Verlust des vormaligen Eichenwaldes und der zahlreichen Dörfer, die hier dem Erdboden gleich gemacht wurden jemals gerecht werden kann, mag ich stark zu bezweifeln. Da bleibt nur zu hoffen, dass die neuen Energieformen für Deutschland nun zur rechten Zeit und im richtigen Tempo kommen. Angeblich wurden hier Dörfer bereits entsiedelt, die nun doch nicht mehr den Bagger zum Opfer fallen werden. Somit entstanden Geisterstädte umsonst auf Grund ungenügender Planung und – einmal mehr – finanziert durch die Steuerzahler. Es wäre ja zu wünschen, dass in der Politik dieselbe Verantwortlichkeit gilt, wie in der Privatwirtschaft. Das käme den Steuerzahlern nicht nur viel günstiger, sondern würde wohl auch die Qualität der Politiker ungemein steigern.
Eine kleine Tour auf unseren Fatbikes gibt uns Einblick in die Grösse dieses Erdlochs. Erstaunlicherweise ist nur ein Bruchteil der Verwüstung mit Braunkohle durchsetzt. Man kann die dunklen Stellen der Kohlefelder ganz gut mit blossem Auge erkennen. Wir treffen so manche Einheimische, die sich hier unter die Touristen mischen und vermutlich mit viel Wehmut das Gelände beobachten und den Gesprächen zuhören. Die einen trauern, um die zerstörte Natur, die anderen bedauern die bald verlorenen Arbeitsplätze und noch andere fürchten sich von der ungewissen Energiezukunft.
Natur pur nur wenige hundert Meter vom Tagbau
Ohne Furcht aber mit viel Vorfreude fahren wir heute Mittag weiter in unser zwölftes Land, nach Holland. Es ist eher langweiliges Autobahn abstottern aber Gott sei Dank mit nur wenig Verkehr. Tagesziel ist Kaatsheuvel im Süden der Niederlande, eine Fahrt über drei Stunden und knappe 180 Kilometer. Wir werden heute von Marleen und ihrer Tochter Liselotte erwartet, die wir das letzte Mal vor sechzehn Jahren auf unserer Station in Fujairah in den Arabischen Emiraten gesehen haben. Bei der Ankunft im Städtchen fühlen wir uns wie in der Truman Show. Knuperhäuschen, blauer Himmel und unglaublich nette Menschen, die uns begeistert begrüssen. Natürlich fallen wir hier mit unserem Fahrzeug etwas gar auf. Wir werden aber zum Glück von unseren Gastgebern auf den Privatparkplatz des Nachbars eingewiesen, wo wir später eine geruhsame Nacht verbringen dürfen. Einmal mehr verbringen wir einen tollen Abend im märchenhaften Garten unserer lieben treuen Freunde. Wie schnell doch die Zeit vergangen ist und wie froh sind wir, dass auch diese Freundschaft über all diese Jahre gehalten hat. Ein mit viel Liebe zubereitetes Abendessen, spannende Gesprächsthemen und herzlich aufgestellte Freunde um sich zu haben, was gibt es Schöneres! Danke Ihr Lieben!
Wenn immer das Glück uneingeschränkt zu sein scheint, wie an diesem Abend, dann kommt doch von irgendwo ein Dämpfer. Es hat sich schon am Vorabend angebahnt und kann nun wohl nicht mehr vermieden werden. Wir müssen morgen wieder zurück nach Köln, 220 Kilometer in die von Schottland entgegengesetzte Richtung weil… unser Kühlschrank immer noch dieselben Macken hat wie je zuvor. Da hilft nichts, weder wettern noch beten. Der gute Fridge kühlt zwar einigermassen gut, wenn auch langsam, aber dies nur mit viel Widerwillen, sprich Knurren und Rattern. Der Italiener soll angeblich der Kühlschrank der Königsklasse sein und auch bei Yachten einen grossen Marktanteil geniessen. Aber wie bei temperamentvollen Italiener vielleicht üblich, funktioniert das beim unsrigen nicht wirklich sang- und klanglos. Zum Spass beglückwünschen wir uns, dass wir uns beim Fahrzeug nicht für einen italienischen Iveco, sondern unseren Unimog entschieden haben. Da schätzen wir einfach die deutsche Massarbeit.
Mit dem Versprechen von Orangework, das nächste Woche doch noch hinzubekommen, fahren wir heute zurück in die Grubengegend, um von dort einen kurzfristigen Termin mit dem Kühlschrank Servicefachmann wahrzunehmen.
Die Freude auf das rasche Wiedersehen mit den lieben Mitarbeitern in Köln ist etwas gedämpft. Wir hätten alle nicht gedacht, dass wir so schnell wieder zurück sein werden. Die Diagnose lautet dieses mal Überhitzung wegen schlechter Luftzirkulation. Flugs wird der Kompressor mit Sperrholz kanalisiert und ein kleiner Lüfter verbaut. Das sieht alles sehr professionell aus. Aber wird es dem Problem auch wirklich Abhilfe schaffen? Die folgende Nacht bleiben wir einmal mehr auf dem Werksgelände von Orangework, um am nächsten Morgen eine erste Analyse der Neuinstallation zu liefern. Der Kühlschrank war die Nacht beschäftigt mit Herunterkühlen. Somit war er sowieso im Dauerlauf, hat aber zumindest nicht ständig an- und abgestellt. Wir entschliessen uns trotz dem nichtssagenden Fazit die Reise fortzusetzen.
Wir fahren auf direktem Weg nach Amsterdam, denn wir haben nur noch wenige Tage Zeit bis zur Fähre, die uns schliesslich von Hoek van Holland (Den Haag) nach Harwick bringen soll. In den Grossstädten stehen wir ja oft und gern auf einem Camping oder Stellplatz. Zur Zeit scheint dies aber in der holländischen Hauptstadt unmöglich zu sein. Es ist «die Hölle» los in Amsterdam und alle Plätze sind ausgebucht. Wie immer haben wir für solche Fälle eine Backup Option. Einziger Nachteil - auf den ersten Blick - ist die Distanz zum Stadtzentrum. Das stellt sich aber bald als grosser Vorteil raus. Wir stehen vis-a-vis der Insel Marken in der von uns so bevorzugten Natur. Amsterdam hat praktisch auf allen Seiten der Stadt grossen Fluglärm durch den Hub in Schipol. Nicht so im Norden, da ist es ruhig und idyllisch. Die Fahrt auf dem Fatbike ins Venedig des Nordens wird zudem zum ganz eigenen Erlebnis. Der Weg führt über Felder und Brücken, vorbei an schönen Höfen, die für uns ganz ungewohnt nicht hinter Zaun oder Mauer stehen, sondern dank den zirka zwei Meter breiten Kanalsystem komplett offen und einladend wirken. Enten, Gänse und Vögel frohlocken, meist mit einer handvoll Jungen im Schlepptau. Nach zirka einer Stunde erreichen wir die Stadt. Der Ring der A10 Autobahn ist sozusagen das Tor zur City. Einmal unter der Autobahn hindurch wird es auf dem riesigen Fahrradwegnetz immer hektischer. Es erinnert uns an Peking vor 25 Jahren. Da fuhren wir auch im Strom der Fahrradfahrer durch Chinas Hauptstadt, nur damals noch ohne E-Bike und mit unserer Tochter auf dem Kindersitz. Fotografieren, Navigieren, zudem holländische Verkehrsregeln beachten (und übersetzen) und dabei noch was von der Stadt sehen: Das Abenteuer Amsterdam ist aufregend aber auch anstrengend. Bis am Abend sind wir nudelfertig, aber glücklich. Es war ein toller Tag.
oben: Fatbike Ausflug auf die Insel Marken unten: idyllische Fahrt über's Land bis in die City Amsterdam
Übermorgen geht die Fähre. Die Reise geht nochmals kurz in den Süden, nach Den Haag. Da dürfen wir nach über 28 Jahren unsere liebe Freundin Andrea wieder einmal in die Arme schliessen. Seit unserem Kamerun Abenteuer haben wir uns nicht mehr gesehen. Damals waren wir sogar noch ledig und ach so jung! Unsere Anreise nach Schottland wird nun wirklich fast zum Nostalgie Trip, so viele langjährige Freunde dürfen wir hier wiedersehen. Wir dürfen aber bei all den Freuden über die schöne Vergangenheit die Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Schliesslich haben wir ja noch eine Mission: Die ultimative Schottland Erfahrung. Morgen kommen wir unserem Ziel wieder einen grossen Schritt näher. Morgen geht es mit der Stena Line Fähre auf die Grosse Insel!
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