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3.7 Gigantisches (Nord-) Irland

Aktualisiert: 13. Nov. 2023

Die ultimative Schottland Erfahrung

Teil 7


Es ist ein Meilenstein in unserer ultimativen Schottland Erfahrung. Eigentlich sind wir traurig darüber, dass wir heute Schottland schon verlassen werden. Auf der anderen Seite freuen wir uns riesig auf die Zusatzschleife in Irland. Nüchtern betrachtet, sind Zugaben doch immer eine Folge überragender Leistungen. So sehen wir das auch mit Irland nach Schottland. Nicht, dass Irland nicht seine ganz eigene Reise Wert wäre, nein ganz und gar nicht. Aber wenn du schon mal mit den über acht Tonnen hier oben bist, dann macht so ein Anhängsel wirklich Sinn.


Jetzt werden wir aller Voraussicht nach nicht darum herum kommen, die beiden Destinationen miteinander zu vergleichen. Sie haben ja nicht nur eine vergleichbare Geografie, hier oben an der nordwestlichen Ecke Europas, sie haben auch durchaus geschichtlich viel gemeinsam.


Einfach nochmals zur Erinnerung, falls der Geografie- und Geschichtsunterricht schon zu lange her ist: Nordirland (NI) ist ein eigenständiges Land und seit über hundert Jahren ein Teil des Vereinigten Königreichs. Die Religionskriege, die wir Babyboomer zu unserer Kinder- und Jugendzeit wahrgenommen haben, sind also noch keine 25 Jahre her. Ja so jung sind wir noch. Dass sich damals die irischen Katholiken und die britischen Protestanten die Köpfe eingeschlagen haben, davon merken wir Touristen heute zum Glück nichts mehr. Wir verbleiben also auch nach unserer rund zweistündigen Überfahrt mit der P&O Fähre weiterhin im Vereinigten Königreich, ohne Roaming Kosten, immer noch mit Pfund bezahlend und in Meilen rechnend. Eines ändert sich aber, sobald wir von der Fähre fahren. Obschon das Wetterglück in Schottland über die letzten Wochen nur langsam aber stetig nachliess, so hatten wir eines nicht: ein solches Sauwetter, wie auf unseren ersten Meilen in Nordirland. Herjeh, es schüttet, ist neblig und die Strassen zwar mit Mittelstreifen, aber oft zu schmal, um im zugelassenen Tempo zu kreuzen. Zudem sind die Büsche an der Fahrbahnseite extrem wild und überwuchert in die Strasse ragend, sodass sich unser FRAME immer mal wieder ein paar Pflanzenkratzer holt. Sind wir froh, dass wir einen äusserst unempfindlichen Mattlack gewählt haben, da lassen sich solche Kratzer zum Grossteil einfach wieder abwischen.


Nordirland's Strassen sind eng und küstennah


Vom Hafen des nordirischen Larne geht es Richtung Norden, so nahe ran an den Giant's Causeway, wie heute noch möglich. Was in Schottland die "North Coast 500" war, heisst hier "Wild Atlantic Way". Diese Panoramastrasse führt uns zur Zeit noch super nah am Nordkanal bis hinauf nach Cushendall, wo wir uns dann von der Meersicht für kurze Zeit verabschieden. Am Nordende der Insel gelangen wir östlich von Ballycastle wieder an die Küste. Es wird Zeit für's Nachtlager, war schliesslich ein langer und ereignisreicher Tag. Am Ende einer Sackgasse finden wir unseren Ort. Ruhig, einsam und Blick auf›s Meer. So soll es sein. Ein paar wenige Jogger abends und frühmorgens stören uns nicht. Unsere ersten Eindrücke von der irischen Insel sind trotz des miesen Wetters und der anspruchsvollen Strassen sehr positiv. Es ist wild und wirkt sehr natürlich, die Strassen sind so nahe am Meer, dass man die Gischt schon fast im Gesicht spüren kann.

oben links: 1. NI Standplatz direkt am Meer, das Wetter beruhigt sich auch schon wieder

oben rechts: 1. NI Aufwachen bei schönstem Wetter


Wir bereiten uns für den nächsten Tag und den Besuch des Giant's Causeway vor. Das bedeutet wir buchen unsere Tickets inklusive Parkplatz schon mal online, laden sämtliche Batterien der Kameras und der Drohne und gehen zeitig in die Heia.


Auch wenn wir üblicherweise erst gegen Mittag losfahren, bereitet es uns keine Mühen an solchen Tagen wie heute früh auf Achse zu sein. Kurz nach neun Uhr fahren wir auf dem grossräumigen Parkplatz des Giant Causeway ein. Der Name ist hier Programm, alles scheint extrem überdimensioniert, eben Giant. Brigitte hat im Vorfeld schon seit längerem recherchiert und ist überzeugt, dass die gewaltigen sechseckigen Basaltsäulen nichts mit Lava zu tun haben können. Ich lasse mir mal einen Audioguide aushändigen und höre mir die Mainstream Version an. Es wundert mich wenig, dass die Erklärungen der Entstehung dieser aussergewöhnlichen Gesteinsformationen mit Fabelwesen und Riesen in Verbindung gebracht wird. Im Klartext bedeutet das wohl, dass man sich den Ursprung nicht wirklich erklären kann oder die als logisch angesehenen Erklärungen wohl mit sehr viel Vermutungen behaftet sind. So vermutet man, dass die rund 40,000 Säulen vor rund 600 Millionen Jahren aus langsam abkühlender Lava entstanden sind. Was diesbezüglich im 18. Jahrhundert bei der Suche nach der «Wahrheit» rund um die Erdentstehung noch als Basaltstreit bezeichnet wurde, wird heutzutage schon als die «wahre Wissenschaft» verkauft. Aber auch sie stützt sich doch immer wieder nur auf Theorien, sprich Möglichkeiten. Die unzähligen Ungereimtheiten dieser Theorien werden dann nur allzu schnell mal ausgeblendet, um dem Glauben an die Wissenschaft nicht zu schaden. So halten wir heute doch auch immer wieder gerne an den fantasievollen Legenden fest, um wegen der Unvollkommenheit der wissenschaftlichen Erklärungen nicht in Verlegenheit zu kommen. Wer sich nun vom besagten Riesen namens Fionn Mac Cumhaill, dem Sagenheld der keltischen Mythologie Irlands inspirieren lassen will und sich vielleicht gar seine eigene Version schustern möchte, klickt hier.


oben: Massentourismus am Giant's Causeway

unten: 5, 6 und 7-eckige Basaltsäulen in allen Längen

unten: da kann man sich gut verweilen...

ganz unten rechts: Die legendäre Orgel des Riesen Fionn Mac Cumhaill


Die Massen, die heute auf den Säulen herumturnen, sind schon fast erschreckend. Wir schätzen so gegen 10'000 könnten es heute schon mal gewesen sein. Selbst im Corona Jahr 2022 kamen hier angeblich weit über eine Million Besucher. Die allermeisten davon bestimmt im Sommer. Gigantisch, was für ein Kapital man hier aus unserer Mutter Natur schlägt. Es ist unsere Erde und trotzdem müssen wir dafür bezahlen, um diesen Flecken hier anschauen zu dürfen und uns mit ihren Vermutungen und Märchen berieseln zu lassen. Mal ganz abgesehen vom traurigen Kommerz, ist der Giant›s Causeway natürlich trotzdem sehr sehenswert und ein Highlight in Nordirland.


Um abends vielleicht nochmals zurück zu kommen, wenn weniger Menschen uns störend vor die Kamera laufen, suchen wir einen Stellplatz im nahegelegenen Städtchen Bushmills. Der Platz taugt aber wenig, so entscheiden wir lieber ein paar Meilen weiter am Meer zu übernachten. Der Magheracross Parkplatz mit dem Wishing Arch zu unserer Linken und dem Dunluce Castle zu unserer Rechten wird schliesslich zu unserem heutigen Nachtlager. Ein Drohnenflug knappe fünf Kilometer Luftlinie zurück zum Giant's Causeway wäre theoretisch gerade noch möglich gewesen. Mit dem starken Küstenwind und dem immer wieder einsetzenden Regen, wollen wir das aber lieber nicht riskieren.


oben: Maheracross Aussichtspunkt

unten links: Dunluce Castle

unten rechts: Klippen des Wishing Arch


Am Folgetag geht die Reise weiter in unser dreizehntes Land seit Beginn der FRAME Mission. Wir gelangen heute kurz hinter London Derry nach Irland. Wir passieren somit die grüne Grenze vom nicht EU Staat Nordirland in die nördlichste Region Irlands, dem Donegal. Der Wild Atlantic Way hat hier bereits zahlreiche Optionen. Wenn man möchte, kann man wirklich sehr küstennah jede einzelne Bucht abfahren. Hierzu würden vier Wochen aber kaum reichen, denn diese Küstenwege sind teilweise wirklich sehr sehr schmal. Oft gibt es einfach auch nur kleine Abstecher ans Meer, um einen Aussichtspunkt, eine Ruine oder sonst einen geschichtsträchtigen Punkt aufzusuchen ohne eine komplette Bucht abzufahren. Dann fährt man einfach auf demselben Weg wieder zurück auf die Hauptstrasse.


kleiner Abstecher zum Great Pollet Sea Arch

Der Wind hier ist ziemlich heftig und während wir uns ans nächtliche Schaukeln im Wind schon gewöhnt haben, müssen wir seit Irland auch ein Knarren in der Decke erdulden. Eine Textnachricht nach Köln zu unseren Aufbau Profis von Orangework bringt da vorerst aber leider auch keine Lösung. Wir hoffen nur, dass unsere Solarzellen auf dem Dach sich nicht schon bald verabschieden. Klingt nämlich irgendwie verdächtig nach den Schnittstellen zwischen den Paneelen und den sechs Zentimeter Decke, die uns davon trennen.


In Irland angekommen: Die Heck-Bullaugen gegen den Wind auf's Meer gerichtet

Im äussersten Norden von Donegal finden wir einen verlassenen Strand, ideal um den Sturm hier aussitzen zu können. Der Ballyheirnan Beach wird zu unserem Entdeckerspielplatz für die nächsten zwei Tage. Während man in der deutschprachigen Presse vom Jahrhundert-sommer berichtet, «geniessen» wir hier im Norden Irlands Temperaturen zwischen elf und fünfzehn Grad! Ist halt alles eine Frage der Perspektive und wohl auch der Presse die man gerade liest. In der Schweiz würden die Menschen bei unserem Wetter zu Hause vor der Kiste verbringen. Die Iren kennen da keinen Schmerz, sie gehen vergnügt am Strand spazieren und auch baden. Es friert uns schon beim Anblick der nackten Haut bei solcher unwirtlichen Witterung. Solange die Haut aber noch rot ist und nicht blau, so glauben wir, haben die nicht kalt. Das gute am Irischen Sauwetter: Es geht oft schnell vorüber. Schade nur, dass dasselbe auch für›s schöne Wetter gilt. Wir finden Trost bei unseren jammernden Lieben zuhause.


Getrieben von der Hoffnung, dass es im Süden wohl wärmer werden wird, fahren wir der vermeintlichen Sonne entgegen. Und immer wieder zieht es uns zur Übernachtung zu den Klippen, denn eines ist klar für uns: Lieber die Klippen mit Wind als die Midges. Denn das eine scheint das andere wirklich konsequent auszuschliessen. Bei Windgeschwindigkeiten über 13km/h machen die Viecher schlapp, genauso wie bei Temperaturen unter 13°C. Leider sind solche tiefen Temperaturen aber auch grenzwertig für Brigitte, also irgendetwas scheinen die Mädels hier gemeinsam zu haben.

Nordirland ist nur spärlich besiedelt und trotzdem leben hier überall Menschen. Das Land scheint hier wirklich gut unter seinen Einwohnern aufgeteilt zu sein, Niemandsland gibt es hier anscheinend kaum. Immer wieder fahren wir an sauber weiss oder grau verputzten Landhäusern vorbei mit einem vorbildlich geschnittenen Green vor der Tür. Im Idealfall führt eine breite Zugangsstrasse schnurgerade vor die Haustüre oder sie schlängelt sich majestätisch hinauf zum Anwesen. Das Grundstück immer schön rechteckig umzäunt, ohne Schnickschnack oder unnötige Verzierungen. Auch Blumengärten sucht man meist vergebens, ein schön getrimmter flacher Rasen ist das höchste der Gefühle.



Rasen Pitch am Strand von Magheragallan

Nach Ballyheirnan folgt Magheragallan Beach, Muckros Beach, Templeboy Surfer's Beach und schliesslich die Cliffs am Downpatrick Head. Wir fahren kaum mehr als hundert Kilometer pro Tag und geniessen unsere gemächliche Reisegeschwindigkeit, um auch am jeweiligen Zielort genügend Zeit zu haben, um unsere Umgebung zu entdecken. Seit dem Drohnenflug am stürmischen Oldshoremore Beach in Schottland, weiss ich, dass meine DJI Air2S Drohne sehr viel mehr Wind aushält als die lästigen Midges. So gibt es neben dem täglichen Standortbild nun öfters auch ein Standort Video. Es gibt wohl kein besseres Gadget als eine windfeste Drohne um diese faszinierenden Klippen von ihren besten Seiten zu zeigen.


Crannagogue Klippen südlich vom Muckross

oben: Wasser unter, auf und über den Klippen

unten: faszinierende Gesteinsformationen und tausende Vogelnistplätze



Templeboy Surfers' Beach:






Priatparkplatz am Downpatrick Head

Wir sind inzwischen im Mayo County angelangt und geniessen nur ein paar hundert Meter vor dem offiziellen Parkplatz und Wohnmobil Getümel einen nahezu privaten Stellplatz über den Felsen. Der Downpatrick Head besticht, wie so manche Cliffs in Irland mit einem imposanten Dun Briste Sea Stack, einem markanten Felsen, der es irgendwie geschafft hat nicht von den tosenden Wellen zerschlagen worden zu sein. Es gibt daher auch unzählige Sagen über die Entstehung dieses Seeschornsteins und immer gerieten dabei Menschen auf seiner flachen Oberseite in Gefangenschaft. Es scheint wirklich kein Entkommen zu geben, sollte man sich aus irgendwelchen Gründen ganz ohne Helikopter oder Kletterausrüstung auf einem solchen Stack wiederfinden. Das Heruntersteigen an den senkrechten Wänden mag ja für einen Profi-Kletterer noch irgendwie gelingen. Spätestens wenn du aber unten im Meer angelangt bist, wird dich die Brandung aber gnadenlos auf den Felsen zerschlagen. Also besser immer schön brav und gläubig bleiben, daraufhin zielen nämlich die meisten sagenumwobenen Geschichten ab. Es gab sie also schon in uralter Zeit, die verschiedenen Versionen der «Wahrheit». Was wir heute schlicht mit altertümlichen Sagen bezeichnen, waren vor hunderten oder tausenden von Jahren die Mittel zum Zweck. Eine Geschichte, um die Menschen zu manipulieren. Man konnte sie glauben oder eben nicht. Heute nennen wir es Fakenews. Und es fällt uns in jüngster Zeit wohl genauso schwer, die falsche von der richtigen Wahrheit zu unterscheiden. Wenn wir die zahlreichen Sagen so anschauen, wird uns aber eines klar: Die Wahrheit ist selten, was die Mehrheit zu wissen glaubt und die Wahrheit kann je nach Perspektive für verschiedene Individuen auch verschieden aussehen.


Dun Briste Sea Stack

Blowhole

Nach diesen «sagenhaften» Erkenntnissen am Downpatrick Head kehren auch wir wieder in unsere Realität zurück. Wir fahren weiter Richtung Süden von einem einsamen Strand zum nächsten. Die Landschaft bleibt kahl und baumlos. Teilweise wird sogar das letzte bisschen Fruchtbarkeit, der Torf, vermutlich zur Whisky Herstellung abgetragen. Immer wieder stellen wir uns vor, wie es hier wohl vor wenigen hundert Jahren ausgesehen haben mag, als 80% Irlands noch bewaldet war. Es muss ein kühler, nasser Dschungel gewesen sein, vermutlich voll von Insekten, aber bestimmt auch voll von einer Vielzahl an Tieren und Pflanzen. Heute sind es gerade mal noch Schafe, viele Schafe und in allen Farben. Man könnte schon fast glauben, die Iren feiern mit ihren Schafen regelmässig Holi, das indische Fest der Farben. Als Kennzeichnung ihrer Tiere sprühen sie ihre Milch- und Wollspender manchmal von Kopf bis Fuss mit einer bestimmten Farbe. Manchmal sieht man sie sogar zweifarbig. Die armen Kerle würden sich im Spiegel wohl kaum wiedererkennen.




Und dann wird es endlich wieder ein klein bisschen spannend. Unser Weg wird plötzlich zum Bach. Der Unimog schnaubt vor Freude. Endlich wieder einmal Unimog gerechtes Gelände. Die Strasse ist über eine kurze Strecke total überschwemmt. Was für den PKW schon grenzwertig ist, wird unserem Dickschiff aber kaum mehr als etwas nasse Füsse geben. Schnell zückt die Fotografin ihre Kamera, um den Moment der Mini Action festzuhalten. Kurz darauf treffen wir am Tagesziel ein. Der Fahy Bay Beach bietet uns einen Rasenstellplatz direkt am Meer mit Sicht auf die vorgelagerten Inseln McShane, Caher und in der Ferne Insiturk.


Fahy Bay Beach zwischen zwei schlechten Wetterfronten

Es will einfach nicht richtig Sommer werden in Irland. Wir sind nun schon fast zwei Wochen auf der irischen Insel unterwegs und warten immer noch ungeduldig auf Temperaturen über 20°C. Der starke bis stürmische Westwind trägt seinen Teil zur abgekühlten Stimmung hinzu. Es wird Zeit für ein nächstes Highlight, das auch meiner Copilotin über den verpassten Sommer hinweg hilft. Wir planen einen Afternoon Tea in einem der nobelsten Hotels in Irland, dem Ashford Castle in Cong. In zwei Tagen können wir dort sein. Zuerst führt uns unser Abenteuer aber noch ins nächste County.



Und es gibt ihn doch noch, den uririschen Feuchtwald

Der Killary Fjord bildet eine natürliche Grenze zwischen Mayo und Galway in der westirischen Region Connacht. Wir fahren gerade etwas gelangweilt an diesem langen Fjord entlang, stören so das eine oder andere bunte Schaf bei seinem Mittagsschlaf auf der spärlich befahrenen Strasse, als wir uns urplötzlich um zweihundert Jahre zurückversetzt fühlen. So stellten wir uns vor, dass es wohl mehrheitlich auf der ganzen Insel ausgesehen haben muss. Wir durchqueren einen knorpeligen mit saftig grünem Moos verhangenen kleinen Wald. Ein Wäldchen vielmehr, denn nach nur wenigen Metern sind wir auch schon wieder draussen. Es gibt hier in dieser Region um Leenaun zahlreiche Lachsfarmen und wohl auch ein paar gute Fischrestaurants. Was es aber nicht viel gibt, sind Park- oder Ausfahrmöglichkeiten für Fahrzeuge über zwei Meter.



Höhenbeschränkungen verhindern allzu oft die Besichtigung von Aussichtspunkten :-(

Immer und überall sehen wir die Höhenbarrieren, die den Wohnmobil Touristen das Leben schwer machen. Teilweise auch an interessanten Sehenswürdigkeiten: Barriere. Wir sind in diesem Moment etwas enttäuscht vom Wild Atlantic Way, der ja vermutlich nicht für die Lokalbevölkerung, sondern für die Touristen eingerichtet wurde. Wie soll man da sein Geld ausgeben können, wenn Halten nicht erwünscht ist? Nun gut, wir bringen unser Geld auch anderswo los. Im Kylemore Abbey gibt es zumindest einen schönen grossen Parkplatz und das sogar kostenlos. Alles weitere wird dann aber zünftig berappt. Das Kylemore Kloster erfreut sich unter den internationalen Touristen grosser Beliebtheit. Nach dem Giant Causeway in Nordirland ist dies soweit der erste Ort auf unserer Strecke in Irland, wo ganze Busladungen von Touristen abgeladen werden. Kurze Zeit später fahren wir durch Clifden, wo an diesem Sonntag die Hölle los ist. Umso mehr sind wir dankbar, dass wir nach einer kurzen Besichtigung der Pinien Insel am Lough Derryclare einen super einsamen und ruhigen Übernachtungsplatz am neuen Friedhof Ballinafad vorfinden.


Freiluft Apero am Friedhof

Wir treffen nur auf Cloe, eine standfeste junge Britin aus Nordirland. Sie ist der Platzhirsch hier mit ihrem etwas in die Jahre gekommenen T45 Mercedes. Endlich erlaubt uns das Wetter, wieder einmal Apero im Freien abzuhalten. Cloe gesellt sich spontan zu uns und bis zum Eintreffen der Midges geniessen wir die Stille neben dem Friedhof bei Wein und Bier.


Kylemore Kloster

Fotogene Pinien Insel am Lough Derryclare

Blick vom Friedhof von Ballinafad

Heute ist Prinzessinnen Tag. Brigittes lang gehegter Wunsch im Ashford Castle einmal einen Afternoon Tea zelebrieren zu dürfen, soll heute in Erfüllung gehen. Die Fahrt dahin ist zwar noch stark verregnet, aber die Wetterprognosen für den Nachmittag stehen gut. Wir kennen dieses besondere Schlosshotel schon aus unseren Recherchen, vor allem aber aus der britischen TV Doku «Amazing Hotels», die wir vor Jahren einmal über dieses einmalige Hotel gesehen haben. Die erste Herausforderung wird sein, mit unserem XXL Fahrzeug unter dem schmalen Schlosstor durchzukommen. Unser GPS führt uns anstelle des Eingangs zum Schlosspark Ausgang. Nun gut hier hat es schon mal kein schmales Tor, aber es ist leider eine Einbahnstrasse. Viele PKWs haben sonst schon ihre liebe Mühe, wenn sie uns auf den schmalen irischen Strassen entgegen kommen. Manche kleben sich förmlich in den Strassengraben, um uns genügend Platz zu machen. Meist kommen wir aber mit viel weniger aus, als man uns offeriert. Wir können uns nun denken, was in ihnen vorgehen muss, wenn sie uns nun auf der Einbahnstrasse in entgegengesetzter Richtung vor sich finden. Um aus diesem Schlamassel wieder herauszukommen, brauche ich einen vernünftigen Wendeplatz. Ich gehe kurz zu Fuss bis um die nächste Ecke und – Gott sei Dank – da könnte ein Wenden möglich sein. Der Gegenverkehr nimmt es scheinbar gelassen. In der Schweiz hätte ich zumindest schon mal einen Stinkefinger gezeigt bekommen. Hier in Irland sieht man das viel entspannter. Vielleicht macht es das Guinness, vielleicht auch einfach nur die irische Gelassenheit.


Schliesslich finden auch wir Schweizer den richtigen Eingang zum Schloss. Der Pförtner empfängt uns herzlich mit einem WOW. Hierbei bezieht er sich natürlich auf unser Fahrzeug und nicht uns falsch fahrenden Ausländer. Wie hoch denn unser James Bond Gefährt wohl sei? «Drei Meter sechundvierzig.» «Ja wie hoch ist denn Ihre Pforte?» «Ach das weiss ich nicht, aber ich schaue mal genau hin.» Er macht ein paar Schritte zurück und lotst uns durch das gewölbte Tor.



Wir fahren durch einen gigantischen Schlosspark, quer über den Schloss eigenen Golfplatz bis zum Schlossgraben. Dort werden wir von einem zweiten Mitarbeiter freundlich in unseren speziellen Overlander Parkplatz eingewiesen. Wir machen uns noch kurz frisch und wechseln von den Trucker Shorts in die Schlossklamotten.



Der Aufenthalt auf Ashford wird zum Erlebnis. Pro Person werden vier verschiedene, leckere Sandwich serviert, verschieden Cones und schliesslich noch vier wunderbar dekorierte Stücke aus der Patisserie. Dazu gibt es natürlich beliebig viele Tees zum Probieren. Für die Prinzessin selbstverständlich auch noch ein Champagner Package. Der FRAME Fahrer darf mal kurz nippen.


Der Service in diesem Hause ist wie erwartet top notch! Zum Abschied gibts sogar noch eine Auswahl an Tees zum Mitnehmen. Wir haben uns ja in diesem Hause bei unseren Hotelier Kollegen erwartungsgemäss angemeldet, also bekommen wir vom Management auch noch eine ausführliche Hoteltour bevor wir schliesslich in den Schlossgärten einen lang ersehnten, sonnigen Nachmittag geniessen können. Die Prinzessin ist glücklich, der Prinz um ein paar hundert Euro erleichtert. Für die Nacht müssen wir uns aber leider noch ein Quartier ausserhalb des Schlossgeländes suchen, also geht unsere Fahrt am späten Nachmittag noch in Richtung Galway.


"Im Schutz der Kirche" von Headford

Dem Champagner sei Dank, meine Co-Pilotin ist müde und will so rasch wie möglich einen Standplatz beziehen. So verlassen wir heute unplanmässig unsere Strecke und finden spontan hinter einer Kirche und neben einem grossen Sportplatz einen wunderbaren Ort, um unser Schlosserfahrung zu verarbeiten. Wir werden noch eingeladen das Halbfinal des lokalen Fussballmatadoren mitanzusehen, was wir aber schliesslich nur noch von unserem Bett aus tun. Logenplatz im Expeditionsfahrzeug, so mögen wir es gerne.


Galway steht heute vor der Tür, eines der wenigen Städtchen in Irland, das es irgendwie schaffte unser Interesse zu wecken. Mit rund 80000 Einwohnern ist das Städtchen wohl eher eine Stadt. Und auch ein Touristenmagnet. Unzählige Pubs und kleine Fressbeizen, wie wir in der Schweiz zu sagen pflegen. Im Aushang der Souvenirläden sehen wir immer wieder das typische Galway Stadtbild mit einer bunten Häuserfront am Wasser. Wir machen uns auf die Suche und werden auch schon bald fündig. Eigentlich haben wir Galway sehr schnell gesehen. Ein abschliessender Besuch in der Stadtkathedrale, eine der jüngsten Steinkathedralen Europas, und schon sind wir wieder weg.


oben: klassische Stadtansicht Galway bei Sturm unten: Impressionen der lebendigen Stadt und der Steinkathedrale


Die Nacht verbringen wir im kleinen Hafen des Galway Bay Segelklubs. Es herrscht buntes Treiben bis in den späten Abend und trotz stürmischem Wetter. Nicht nur Segler und Kanuten, auch etliche Schwimmer und solche, die sich einfach nach einem hitzigen Fussballspiel im kalten Nass etwas erfrischen wollen, treffen wir hier. Wir sitzen so quasi das schlechte Wetter aus, einmal mehr, bis zu unserer nächsten Station, der irischen Folklore Metropole Doolin. Es ist die Empfehlung eines sympathischen Iren, den wir weit oben im Norden getroffen haben. Er meint, das McDermott's Pub in Doolin sei auf jeden Fall einen Besuch wert. Viel irischer kann ein Abend anscheinend nicht mehr werden. Und als Bonuspunkt darf man nach einem Besuch im Pub auch gleich auf dem grossen Gästeparkplatz übernachten. Also, das lassen wir uns natürlich nicht entgehen. Bei Ankunft gibt›s schon mal eine kulinarische Stärkung, denn auch die McDermott's Küche ist äusserst empfehlenswert. Nach einer Siesta, geht es dann abends nochmals zurück an die Bar, wo wir uns bei Guinness und Fish & Chips einen wirklich authentischen und unvergesslichen Irischen Abend gönnen.


Heute Abend fällt es uns besonders auf, das rezessive Gen, das anscheinend für die zehn Prozent der Rotschopfe Irlands verantwortlich sein soll. Ich hätte diese statistische Zahl hier eigentlich viel höher geschätzt. Ob rot, blond oder dunkelhaarig, die Iren, wie auch die Touristen feiern und musizieren tatkräftig mit der Band mit. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung und wir verstehen nun die irische Pub Kultur um einiges besser.


Die Cliffs von Moher südlich von Doolin sind perfekt, um unsere Köpfe nach dem irischen Pub Erlebnis auslüften zu lassen. Moher ist, wie der Giant Causeway in Nordirland, ein touristischer Hotspot der Extraklasse. Zum Glück finden wir einen Privatparkplatz ganz nahe an den Cliffs und weit weg vom überteuerten Grossparkplatz, wo sich die Normalos einfinden. Ein ausgedehnter Spaziergang entlang der imposanten Klippen darf natürlich bei einem Irland Besuch nicht fehlen. Wir legen heute knappe zehn Kilometer zu Fuss zurück und sind sowohl von den stetig ändernden Wetterkapriolen, wie auch den mächtigen Klippen hell begeistert. Einen ähnlichen Auflauf an Touristen haben wir das letzte Mal in China gesehen. Die Menschenschlangen auf den Felsen nehmen fast kein Ende.




Bevor wir zu unserer Verabredung mit unserer liebsten Freundin Marilyn und ihrer Tochter Isabelle nach Limerick fahren, gibt es einen Zwischenhalt an den Bridges of Ross. Eigentlich ist ja nur noch einer dieser Felsbogen übrig. Zwei weitere sind in jüngster Zeit der starken Brandung erlegen und kollabiert. Man macht sich ja wirklich wenig Gedanken, wenn man über die Klippen oder Felsbogen wandert. Aber irgendwann stürzen sie halt immer ein. Die Natur arbeitet, langsam aber kontinuierlich. Wenn wir Stellplätze nahe eines Abgrundes beziehen, schauen wir uns die Situation selbstverständlich immer etwas genauer an. Ob wir Laien aber wirklich erkennen können, wann ein solcher Felsen zur Gefahr wird? In einem solchen Moment sind wir, ob gläubig oder nicht, einfach nur in Gottes Händen.


oben: Luftaufnahme der Klippen "Bridges of Ross"

unten rechts: Der einzige Felsbogen, der heute noch steht


Einen Tag später sind wir aber in Marilyns guten Händen. Sie und Isabelle verwöhnen uns nach Strich und Faden, sodass alleine schon unser Wiedersehen nach über 25 Jahren (für Brigitte waren es nur 15 Jahre) den Abstecher nach Irland lohnenswert machte. Und auch hier bekommen wir den Jackpot: Marilyn nimmt uns mit zu ihrem Sommerauftritt in der Kathedrale in Limerick. Keine andere Stimme rührt uns beide immer wieder so zu Tränen, wie die von Marilyn. Das mag einerseits an ihrer wundervollen, reinen Stimme liegen, andererseits an der tiefen Verbundenheit, die wir seit der Geburt unser Tochter Nathalie in Kairo mit ihr haben. Auch ihr Sohn Mark begeistert uns tags darauf mit einem überraschenden musikalischen Stelldichein. Der Apfel fällt - wie immer - nicht weit vom Stamm.


oben rechts: Eine Freundschaft für's Leben: v.l.n.r. Isabelle, Brigitte, & Marilyn

unten: Im Süden Irlands angelangt. Die Hafenstadt Cork erwacht gerade nach einem Sturm


Der Abschluss unserer Irland Tour bilden ein Kurzbesuch in der bunten, wenn auch unmodernen Hafenstadt Cork und der lang ersehnten Erkundung des Irischen «Hochlands». Man muss vorausschicken, dass Irlands höchster Berg gerade einmal gute tausend Meter über dem Meeresspiegel liegt. Berge in unserem, schweizerischen Sinne sucht man hier also quasi vergeblich. Wenn unser Standplatz unseres allerletzten Irland Abenteuers also auf 300m.ü.M liegt und die Wanderung uns bis auf 500m.ü.M. führt, dann fühlen wir uns schon irgendwie «in den irischen Bergen».


Das Nire Valley in der Provinz Munster bietet uns hierzu die richtige Ausgangslage und der Sgilloges See ein erstrebenswertes Wanderziel. Wir sind nun definitiv im Süden der Insel angekommen, das merken wir nicht nur am etwas wärmeren Wetter, aber auch an den deutlich schwächeren Winden. Die Gegend ähnelt immer mehr unserer Heimat, die baumlosen Täler und Hügel würde man aber bei uns eher Höhenlagen oberhalb der Baumgrenze (knapp 2000m.ü.M.) zuordnen.

oben: endlich wieder einmal ganz alleine in der Natur stehen: Nire Valley

unten: eine "Berg"-Wanderung zwischen 300-500m.ü.M.


Irland ist ohne Zweifel ein Land der Extreme. Gigantische Klippen und schöne Strände wechseln stets an der zerklüfteten Küstenlinie. Die Strassen sind zwar oft äusserst schmal, aber in erstaunlich gutem allgemeinen Zustand. Ich denke, dass selten eintretender Frost den guten Strassenzustand unterstützt. Nicht verwunderlich, dass die Iren alle mit dem Auto und kaum zweirädrig unterwegs sind. Umso verwunderlicher aber die ausgeprägte Pub-Kultur, denn ins entfernte Pub kommst du wohl kaum zu Fuss. Die Iren sind aber ohne Zweifel hart im Nehmen. Furchtlos stürzen sie sich in die stürmische See zum Schwimmen und genauso furchtlos stemmen sie ihre Guinness und Whiskys im Nachtleben. Ob zum Golfspielen, Wandern, Kiten oder schlicht für ein Eintauchen in die keltische Kultur, Irland ist auf jeden Fall eine Flugreise - oder zwei Fährfahrten - wert.



Nächstes Abenteuer: Winter 2023/24 Erkundung der Süd-Kaukasus Region (TBC)





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