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3.4 Schlösser, Steinkreise & Seeungeheuer

Aktualisiert: 23. Juli 2023

Die ultimative Schottland Erfahrung

Teil 4


Zufahrt zum Schloss Glamis des Earls of Strathmore

Dass wir in Schottland nicht ohne Schlossbesichtigungen durchkommen werden, ist uns seit Beginn dieses Abenteuers bewusst. In Schottland, genau wie in Ungarn, gehören Schloss Visiten einfach dazu. Uns interessiert aber weniger, welche Persönlichkeiten hier vor X Jahren mal durch die Hallen und Gärten gewandelt sind, uns interessieren vielmehr die Architektur und die Spukgeschichten, die an diesen Schlössern und Burgen haften, wie die Kletten. Es ist keine einfache Aufgabe, sich eine Shortlist aufzustellen bei diesem immensen Überangebot im hohen Norden Grossbritanniens. Heute beginnen wir diese Mammutaufgabe mit dem im Privatbesitz befindlichen Schloss Glamis, mitten im Land der Angus Rinder und kaum eine halbe Stunde nördlich von Dundee. Die Anfahrt ist schon mal sehr majestätisch und ganz nach unserem Geschmack. Wir dürfen mit unserem Expeditionsfahrzeug bis ganz hinauf zum Schloss fahren. Ja selbst ein Posieren vor der Hauptfassade liegt drin.


Klein wirkt er, unser FRAME vor dem imposanten Schloss Glamis

Die Führung durch die der Öffentlichkeit zugänglichen Räumlichkeiten geschieht zum Glück in «proper english», ein Schottland Wörterbuch ist hier nicht nötig ;-). Mit der Begründung, dass das Haus in Privatbesitz ist, darf drinnen nirgends fotografiert werden. Naja, muss man so akzeptieren. Im Internet gibt es genug Bilder, für diejenige, die es interessiert. Den Hausherrn, Earl of Strathmore, bekommen wir aber leider nicht zu Gesicht, denn wie sich auf der Tour herausstellt, bewegt er sich ausschliesslich in dem nicht ganz kleinen Teil des Schlosses, der der Laufkundschaft nicht zugängig ist.


Nicht das Tor zum Schloss, sondern lediglich zum Hektar grossen Küchengarten

Wir halten fest: Entgegen manchen Behauptungen ist die kürzlich verstorbene Königin Elisabeth II nicht auf diesem Anwesen, dazumal der Stammsitz der Familie, geboren. Ihre Schwester Margaret hingegen schon und tatsächlich haben die beiden auch viel Zeit ihrer Kinderjahre hier verbracht. Was in diesen herrschaftlichen Räumen besonders auffällt, sind die mit Ahnenbilder zugekleisterten Wände. Es fühlt sich an, wie im Museum. Unsere Begeisterung hält sich in Grenzen. Und schliesslich ist sie da, die Gruselstory:


Farbenpracht im Schlossgarten

Es war an einem neblig kalten Samstag. Ein Gast des Hauses trank Whisky und spielte Würfel bis in die Nacht hinein. Kurz vor Mitternacht ermahnten ihn die Bediensteten, dass er gnädigerweise nun aufhören sollte, denn am Sonntag war Glücksspiel strickte untersagt. Er wurde wütend und beschimpfte die Angestellten. «Zum Teufel mit euch! Niemand hat mir zu sagen, was ich zu tun habe». Da klopft ein gutgekleideter Fremder ans Tor und bittet zu später Stunde um Einlass. Der inzwischen betrunkene Hausgast lädt ihn in sein Zimmer ein und die beiden würfelten durch bis zum Sonnenaufgang. Es soll der Teufel persönlich gewesen sein, der sich hier mit dem noblen Herrn vergnügte. Am Sonntag war die Zimmertür zugemauert und niemand erfuhr, was für teuflische Sachen sich in dieser Nacht auf Schloss Glamis abgespielt hatten. Schöne Geschichte, oder? Sie kann in der heutigen Zeit gut angewendet werden, wenn die Kinder abends mit dem Würfelspiel nicht mehr aufhören wollen. Wetten, dass eine solche Geschichte wirkt? ;-)

unten: im Schlosswald von Glamis




Der kleine Sprössling, das bin ich...

Nach einer ausführlichen Durchforstung des Schlossgartens und -waldes fahren wir am späten Nachmittag noch zurück ans Meer. Heute haben wir wieder einmal Pech mit der Wahl des Übernachtungsortes. Das kommt eigentlich ganz selten vor, dass wir nicht auf Anhieb eine tolle Stelle finden. Zum Glück sind die Tage so lang und es bleibt uns genügend Zeit, um Alternativen zu suchen. Ein zweiter Versuch ist ebenfalls erfolglos. An diesem Platz kleben sage und schreibe vier Wohnmobile Tür an Tür in einer kleinen Nische am Strassenrand. Wir beginnen zu begreifen, dass Schottland wohl eine beliebte Womo Destination und Ende Juni schon sehr nahe an der Hochsaison ist. Wir fahren schliesslich durch bis zum nächsten Schloss, welches eigentlich erst morgen auf unserem Programm steht. Einmal mehr hat uns das Schicksal gut geleitet. Wir stehen schliesslich am Rande einer kleinen gesperrten Nebenstrasse, also ganz ohne Verkehr und sogar mit Meerblick. Wir sind angekommen in Dunnottar, südlich von Stonehaven.


Dunnottar ist kein herkömmliches Schloss, sondern schon eher ein magischer Ort. Das Gestein der sechzig Meter hohen Klippen ist unsagbar hart und entstand vor 440 Millionen Jahren. Man stelle sich das mal vor: Das Konglomerat aus unzähligen verschiedenen Kieselarten ist dermassen hart, dass eher der einzelne Kiesel auseinanderbricht, als die in sich verschmolzene Gesteinsmasse. Somit sind die Klippen nicht nur resistent gegen die Brandung, sondern auch ein ultra-sicherer Ort. Der schmale und steile Zugang auf die Klippe macht die Zugangskontrolle zudem verhältnismässig leicht. Das wussten sie schon im Mittelalter zu nutzen. Auch die schottische Krone hat die als uneinnehmbar geltende Festung Dunnottar lange als Schatzkammer verwendet, um die Kronjuwelen während dem Krieg der drei Königreiche (Schottland, Irland und England) hier sicher zu lagern. Kein Wunder, dass es hier von Touristen nur so wimmelt. Auch Charlie kommt hier ab und zu vorbei auf dem Weg in seine Sommerresidenz von Balmoral.


unten: Dunnottar Castle


So folgen wir also Charlies Weg. Was gut ist für ein König, soll auch gut genug sein für das FRAME Team ;-). Die Reise führt uns von hier über Stonehaven ins Landesinnere. Bevor wir aber nach Balmoral kommen, halten wir noch beim Steinkreis von Tomnaverie. Wer schon mal was von Stonehenge gehört hat, weiss, dass hier Steine schon weit vor den Kelten eine grosse Bedeutung hatten. Dieser Steinkreis datiert zurück in die Bronzezeit und hat anscheinend noch über siebzig «Geschwister» in Nordost-Schottland. Ansonsten kommen sie auch noch in Südirland vor. Wie das zusammen passt? Gute Frage. Wir hoffen, die Antwort vor Ort in Irland gegen Ende unserer Reise zu finden. Die Granitblöcke sind natürlich in einer exakten Anordnung und bestimmten Himmelsrichtung ausgelegt. Wie sie das vor mehreren tausend Jahren hinbekommen haben, ja da scheiden sich die Meinungen. Auch ob sie zuerst als Mahnmal und danach als spiritueller Versammlungsort oder umgekehrt genutzt wurden, entzieht sich dem Mainstream Wissen. Für uns dienen sie als Kraftorte und wir stärken uns mitten drin gleich mal liegend von unseren Reisestrapazen. Zudem feiern wir heute unser einjähriges Jubiläum als Abenteurer, Philanthropen und Langzeitreisende. Da darf der Ort für solch einen besonderen Anlass doch schon etwas außergewöhnlich sein. Cheers!



Nachdem wir nun also Geist und Körper mit uralten Kräften gestärkt haben, ziehen wir weiter. Balmoral war ursprünglich eigentlich gar nicht auf unserem Plan. Irgendwie zeichnete sich aber ab, dass wir auf dem Weg ins schottische Hochland sowieso hier durch gekommen wären. Also lösen wir ein uraltes Versprechen mit Charlie ein. Damals noch Prinz Charles hat mir nämlich bei einer seiner zahlreichen Visiten in Rumänien einmal offenbart, dass er sich auf einen Gegenbesuch von uns in Great Britain sehr freuen würde. Auch wenn er sich vermutlich heute als König nicht mehr an diese nette Einladung an die Bukarester Business Community erinnert, wir nehmen seine Gastfreundschaft beim Wort und statten ihm heute einen Besuch auf seiner Sommerresidenz in Balmoral ab. Die Briten sind da wohl etwas eigen, denn beim Tor werden uns schon mal rund fünfzig Schweizerfranken abgenommen. Welchen Teil des Wortes EINLADUNG wir hier wohl falsch verstanden haben? Und auch Charlie glänzt nur mit Abwesenheit. Spass bei Seite. Die Besichtigung der sommerlichen Residenz des Königshauses ist…. vermutlich sein Geld nicht wert. Wir vermuten mal, dass die meisten Besucher einfach mal dort sein wollen, wo auch ihr König ab und zu ist. Ausser den gigantischen und uralten Bäumen hat uns nur noch der königliche Bio-Garten erstaunt. Da bekommt das Volk also Fast Food ohne Ende, was schon sehr offensichtlich an den vielen Übergewichtigen Menschen auf die Volksgesundheit schlägt und König Charlie gönnt sich Bio vom Allerfeinsten. Um sich in Großbritannien gesund zu ernähren braucht es tatsächlich etwas Zeit, Geduld und natürlich das nötige Kleingeld. Wir suchen bevorzugt die kleinen Farmers Shops auf, die manchmal etwas Organic Food offerieren. Lidl oder Tesco, die grossen Supermärkte, sind diesbezüglich sehr bescheiden bestückt.


Der Einladung von König Charles leisten wir Folge und treffen auf der Sommerresidenz Schloss Balmoral ein


Die schottischen Hochland Rinder begrüssen uns im Highland

Balmoral haben wir also zirka in zwei Stunden gesehen, nun kann es weiter gehen in Richtung schottisches Hochland. Irgendwie macht man sich von der Wortgebung schon automatisch die Vorstellung, das Hochland liege erhöht. Dem ist, wie wir nun sehen, nicht so. Das Highland folgt nach dem Lowland und liegt einfach weiter nördlich. Man könnte es auch anders umschreiben: Da, wo die Gatter das Abfahren von der Strasse verhindern, da beginnt das Hochland. Freistehen in Schottland abseits der Hauptverkehrsadern ist daher ein regelrechtes Kunststück. Das sind wir uns nach der Tour nach Rumänien und Marokko überhaupt nicht gewohnt. Auch der Unimog hat damit etwas Mühe, nicht mehr richtig gefordert zu werden. Für heute stellen wir uns halt mal wieder neben ein Gatter und genießen zumindest die spektakuläre Weitsicht bis tief ins schottische Hochland. Die kommenden Tage fahren wir dann auch mit den Fatbikes weiter hinein und hinauf ins Invercauld Estate bis hin zum Loch Builg. Es ist menschenleer hier. Nur Schafe und ein wenig von den gefürchteten Midges, die sind aber bis jetzt wirklich nicht der Rede wert. Das Wetter wird von Tag zu Tag schottischer, das heisst, wir nehmen vorsichtshalber mal lieber unseren Regenschutz mit, auch wenn wir ihn eher noch gegen den Wind als den Regen gebrauchen.


oben: Stellplatz am Eingang zum Invercauld Estate

unten: Fatbike Tour bis hinauf zum Loch Builg

unten: Am zweiten Tag sogar ganz ohne Regen...



Schon bald zieht es uns zu einem nächsten Highlight in unserem Schottland Abenteuer. Das Loch Ness ist heute das Tagesziel. Wer kennt es nicht, das Ungeheuer, dass sich ab und zu aus den Tiefen des Lochs (See) getraut, um den Menschen das Fürchten beizubringen. Über die Kelpies haben wir ja schon im letzten Blog berichtet. Jetzt wollen wir aber endlich einmal einen sehen.

Unsere Weiterfahrt führt uns tatsächlich zuerst an der Lecht, einem kleinen Skigebiet vorbei. Kaum 500 m.ü.M. und schon erscheint die Vegetation irgendwie alpin. Vermutlich wegen den Tannenbäumen, die man aber auch ohne weiteres auf Meereshöhe wieder treffen kann. Die Strassen sind zwar eng und oft nur „single track“ also einspurig, aber mit so vielen Ausweichmöglichkeiten, dass wir nie Probleme mit dem Gegenverkehr haben. Auch die schneller fahrenden Verkehrsteilnehmer lassen wir immer wieder mal an den Ausweichstellen (alle aufs Sorgfältigste markiert mit „passing places“) vorbei. Die Schotten freuen sich dann meistens, winken oder lassen es uns durch ihre Warnblinker wissen. Im allgemeinen empfinden wir den Verkehr hier sehr angenehm, überhaupt nicht aggressiv und nur ganz selten zu schnell. Es gibt aber auch in keinem anderen Land so viele Hinweise zum langsamen Fahren oder Warnungen zu möglichen Radarkontrollen, wie in Grossbritannien. Und dass die Briten gehorsam sind, ist ja allen bestens bekannt;-) Wir nähern uns also dem Loch Ness und somit sind wir schon bald wieder nahe dem Meeresspiegel. Die engen Täler sind total grün, stark bewaldet und feucht. Zum Glück treffen wir auf keinen Nebel, den man in dieser Gegend wohl bestens kennt. Mit den grausigen Geschichten des Seeungeheuers im Kopf nähern wir uns unserem Ziel. Ob wir Nessie wohl sehen werden? Mit Charlie hat es ja schon nicht geklappt, wir hoffen heute mit Nessie mehr Glück zu haben. Voller Zuversicht und trotz der nassen Kälte setzten wir uns abends an den See und warten. Wir warten und schauen und schauen und warten. Das innere Thermometer von Brigitte schlägt langsam Alarm und wir hätten die Warteübung schon bald abgebrochen, als sich doch noch etwas bewegt in den dunklen Wogen des Loch Ness. Und siehe da, es gibt ihn also doch. Nessie schaut auf, wie das Fernrohr eines U-Boots blickt er verstohlen zu uns herüber. Mein Gott, sind wir Glückspilze heute. Unsere Geduld hat sich ausbezahlt ;-)


Es gibt ihn also doch: Nessie begrüsst uns in seinem Loch

Am kommenden Morgen scheint dann schon wieder die Sonne. Das Loch Ness verliert so sein Gespenstisches und das Grün der Wälder, sowie das Blau des Himmels geben dem See nun endlich die Schönheit zurück, die er wohl verdient. Das vierte und vorerst letzte Schloss Urquhart liegt schräg gegenüber unseres Standortes auf der anderen Seeseite. Wir entscheiden uns gegen die achtzig Kilometer Route dahin und fahren stattdessen direkt nordwärts etwa dreissig Kilometer bis Inverness, wo wir uns beim Highland Rugby Club einquartieren, um die Stadt zu Fuss zu entdecken. Es ist in der Zwischenzeit bereits wieder Samstag und somit die Hölle los im Städtchen an der Ness. Jung und alt sind hier, typisch britisch, im Saturdaynight Ausgangsmodus. Alle Restaurants, die wir anlaufen, sind komplett ausgebucht und in den Pubs wird schon früh gebechert. Wir machen einen kurzen Versuch, uns in die dritte Reihe an die Bar zu stellen. Keine Chance, unsere Geduld wurde am Loch verbraucht, so enden wir in einer kleinen Musikbar mit Sicht auf die Ness und planen von hier das weitere Vorgehen auf unserem Schottland Abenteuer.


oben: Stellplatz im Highland Rugby Club Inverness gleich gegenüber von Ness Island

unten: Ein gemütlicher Abend in der Bar anstelle des traditionellen Pubs


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