
Das Interesse an unserem Expeditionsfahrzeug ist üblicherweise sehr gross. Nicht so an der österreichisch-ungarischen Grenze. Wir fahren buchstäblich im fünften Gang über die Landesgrenze und kein Grenzer weit und breit zu sehen. Gott sei Dank! Wir steuern direkt auf Sopron, zu deutsch Ödenburg zu. Auch in Sopron fahren wir auf einen Park4Night Stellplatz. Mit dieser App sind wir in den ersten zwei Wochen durch Österreich eigentlich immer gut gefahren. Es ist natürlich, wie mit allen Bewertungsportalen und damit kenne ich mich als Hotelier und Business Optimierer selbstverständlich aus. Das heisst, man muss neben dem Score unbedingt auch die Anzahl Bewertungen, sowie die für sich massgebende Relevanz der negativen Kommentare im Auge behalten.

In Sopron gibt es also einen grossen ebenen Parkplatz unter Bäumen in unmittelbarer Nähe der Altstadt. In unserer internen Wertung gab dieser Übernachtungsplatz eine 6.4 von 10. Das ist doch gar nicht übel für einen Standort mitten in der Stadt, ohne Thrills and Frills ;-). Wir waren auf jeden Fall, sowohl mit der pittoresken Stadt, wie mit der Übernachtung sehr zufrieden. Die Sehenswürdigkeiten hielten sich zwar in Grenzen, entsprechend der Grösse der Stadt. Umso eindrücklicher waren diejenigen, die sie zu bieten hat. Zum Beispiel das Tor der Treue. Wo gibt es denn so was? Dazu braucht man nur ein wenig in der Geschichte zu stöbern. Hierzu habe ich mir zwei Daten gemerkt:

Die Bewohner von Sopron durften also tatsächlich gemäss dem Friedensvertrag von Trianon 1921 durch Abstimmung selber bestimmen, ob sie nun zu Ungarn oder Österreich gehören wollen. Ob die Abstimmung mit rechten Dingen zuging, streitet man sich noch heute. Tatsache ist, dass den Soproner seither das Tor der Treue südlich des Feuerturms errichtet wurde, da man ihnen ihre Treue zur ungarischen Heimat sehr hoch anrechnete. Noch heute wird in Sopron der Abstimmungstag am 14. Dezember als der Tag der Treue gefeiert.
Als zweites gilt der 19. August 1989 als historischer und feierlicher Tag zum Gedenken des Falls des Eisernen Vorhangs. Als Paneuropäisches Picknick wird der Tag jährlich zelebriert.
Beim Bummeln durch die Altstadt verstehen wir schon sehr bald, was wir in den kommenden Wochen vermutlich noch oft zu sehen bekommen. Porzellanläden mit handbemalenem feinen Porzellan und Kirchen, Kirchen, Kirchen. In Soporn betreten wir aber neben ein paar Kirchen auch eine Synagoge. Für uns ein Novum und daher sowieso spannend.
Im Übrigen besticht die Stadt mit seinen farbigen Gebäuden und schattigen Innenhöfen. Auffallend ist auch, dass hier noch sehr viel auf deutsch angeschrieben ist.
Am nächsten Tag geht es weiter nach Fertöd zum Esterhazy Schloss. Wir übernachten ein paar hundert Meter vom Schloss entfernt auf einem riesigen leeren Schotterparkplatz. Ganz in der Ecke kuscheln wir uns in die Nähe von zwei weiteren Overlandern. Zum Besuch des Schlosses und der fantastischen Gartenanlage haben wir ein kurzes Video verfasst. Damit auch ja kein Stress aufkommt und da wir im Schlosspark unbedingt nochmals mit einer anderen Kamera die eindrücklichen japanischen Pagodenbäume ablichten wollen, bleiben wir gleich noch eine zweite Nacht.

Nun wird es aber Zeit wieder aufzubrechen. Schliesslich wollen wir bis Ende Woche am Plattensee sein, um unser Fatbike Ersatzteil entgegenzunehmen. Die Landstrasse führt uns vorerst noch via Papa nach Herend zur weltbekannten gleichnamigen Porzellanfabrik. Die Strecke ist eher unspektakulär. Obschon wir die Autobahnen partout vermeiden, bekommen wir eigentlich immer nur zwei Dinge zu sehen. Sonnenblumenfelder und Maisfelder. Nicht, dass die nicht schön sind, aber sie sehen halt einander alle sehr ähnlich. Die Grösse der Felder ist aber für uns kleinkarrierte Schweizer sehr eindrücklich. Wir machen uns Gedanken zur hiesigen Agrarwirtschaft. Die Felder sind alle lupenrein, kein Unkraut, kein gar nichts. Ob dies so ganz ohne Monsanto geht? Wir haben starke Zweifel...

In Herend angekommen, stehen und übernachten wir gleich neben dem Porzellanmekka, das aus Museum, Shop und Manufaktur besteht. Schon eindrücklich, wie hier alles in sorgfältiger Handarbeit geformt und bemalen wird.

Wir geniessen eine Privattour auf deutsch, um uns von diesem Handwerk begeistern zu lassen.
Selbstverständlich können wir nicht ohne ein kleines Porzellansouvenir abreisen. Ob dieses die offroad Strecken überstehen wird, muss sich zeigen. Wenn die Qualität stimmt, werden unsere zwei neuen Eierbecher die Reise auch überstehen ;-)
Weiter geht es nun Richtung Süden zur Halbinsel Tihany am Plattensee. Der See soll ja nur ein paar Meter tief sein und ehrlich gesagt, wirkt er noch viel grösser, als wir das erwartet haben. Ist ja auch der grösste Binnensee Mitteleuropas, also passt es ja.


In Tihany bleiben wir dann kaum eine Stunde. Leider war das Kloster gerade renovationsbedingt eingehüllt und somit ganz und gar nicht fotogen. Tihany ist äusserst touristisch und somit nicht unbedingt unser Geschmack. Zudem wird es von Tag zu Tag wärmer und wir sehnen uns danach, endlich einmal baden zu gehen. Also geht die Fahrt weiter bis zum angestrebten Strandparkplatz von Szigliget am Nordwestende des Sees. Während der Ankuftszeit so ca. 17 Uhr ist der Strand und somit der Parkplatz noch sehr gut besetzt. Wir haben Glück, dass wir uns in vorderster Front rückwärts in eine Parkluke manövrieren können, die uns am nächsten Tag auch eine sichere Ausfahrt ermöglichen wird, auch wenn der Parkplatz sich bis zu unserer Weiterfahrt vielleicht wieder gefüllt haben wird. An diesem Abend gönnen wir uns ein Abendessen im schräg gegenüberliegenden Beach Restaurant. Zum Sonnenuntergang mache ich mich auf zum langersehnten Baden im Plattensee und werde kurz darauf noch mit einem Supermondaufgang belohnt. WOW was für eine Stimmung!

Der nächste Morgen war dann nicht mehr ganz so WOW, da wir hunderte von kleinen grünlichen Insekten an unserem Fahrzeug hatten. Zum Glück natürlich alle draussen. Unsere Moskitonetze an allen Fenstern und Dachlucken, sowie der Eingangstüre sind einfach Gold wert. Nur sehr selten wagt es ein Flieger in unsere gute Stube. Und falls doch, rückt ihm Brigitte mit der altbewährten Fliegenpatsche zu Leibe. Das Heer dieser Grünlinge kümmert uns also nicht weiter, denn wir werden sie wohl bei der Weiterfahrt abschütteln können. Zumindest ist das der momentane Plan.
Auf diesem Parkplatz mit all den Touristen, die kommen und gehen, fühlen wir uns schon ein wenig merkwürdig. Viele kommentieren, manche fotografieren und speziell Kinder posieren neben unseren FRAME und sind einfach begeistert über so ein spezielles Reisefahrzeug. Wir fühlen uns äussert privilegiert, dass wir damit herumreisen dürfen und sind einfach nur dankbar, dass wir uns diesen Traum verwirklichen konnten.
Unser Bike Ersatzteil ist leider immer noch nicht am Plattensee angekommen und somit entscheiden wir uns kurzerhand bis dahin eine Regenerierungspause auf dem Campingplatz einzulegen. Wäsche waschen, Bilder bearbeiten, Blog schreiben, den Liebsten telefonieren etc.
Wir versuchen unser Glück im Panorama Camping oberhalb von Heviz dem Thermalresort. Erstaunlicherweise hat es genügend freien Platz. Um es richtig zu sagen, der kleine Campingplatz, der von einem Deutschen geführt wird, ist quasi leer, da angeblich viele Deutsche bei den aktuellen Spritpreisen die Reise nach Ungarn gar nicht erst antreten. Auch verständlich. Uns soll es recht sein. Wir wählen einen schattigen Platz unter Birken, Eichen und Ahorn. Das Panorama muss bei unserer Wahl natürlich hinten anstehen. Aber Schatten ist uns bei Temperaturen weit über 30°C nun mal wichtiger.

Apropos aktuelle Dieselpreise. Eigentlich erhofften wir uns ja, dass wir irgendwie an den für Ungaren subventionierten Diesel herankommen könnten. Die Einheimischen tanken nämlich zur Zeit zu etwa 1.20 Euro pro Liter. Der Ausländer hingegen 2.00 Euro. Bei meinem Versuch weit im Landesinnern und weg von den Touristen um ein paar hundert Liter Diesel zu feilschen, blitze ich aber ab. Maximal 20 Liter wären möglich, teilweise sogar nur 10 Liter und das auch nur, wenn ich das «C» von meinem Schweizer «CH» irgendwie verschwinden liesse und ich nur mit dem einheimischen «H» (für Hungary) vorführe. Na dann halt nicht. Die Rumänen sind auch froh, wenn Sie mir den Sprit verkaufen können. Da kostet er zur Zeit ca. 1.85 Euro und bis dahin wird es noch reichen.
Ja um es gleich vorweg zu nehmen. Während den drei Tagen im Camping in gleissender Hitze haben wir eine Entscheidung getroffen. Denn nächste Woche soll das Quecksilber in unserer Region bis 43°C und höher steigen. Das wollen wir uns nicht antun und wir fliehen kurzentschlossen in die Karpaten. Zwar zirka einen Monat früher als geplant, aber Ungarn wird schon auf uns warten. Wir kommen dann gerne im Oktober wieder zurück und schauen uns noch Budapest und den Norden Ungarns an.
Nächster Blog: 3. "Flucht in die Karpaten"
Comments