top of page

2.2 Über die Indianer-Schlucht zum Piraten-Strand

Die zwei Tage in Valencia waren wunderschön und trotzdem zieht es uns schon bald wieder raus in die Natur. Eines muss aber noch erwähnt sein: Der Campingplatz Nomadic in Valencia ist ein super organisierter und sauberer Campingplatz, wie wir ihn hier nicht erwartet hätten. Einzig der Brötchenservice am Morgen ist mit 9:00 Uhr für Camperfreunde wohl etwas zu spät angesetzt. Ich weiss, das ist Jammern auf sehr hohem Niveau, denn Brötchenservice an und für sich ist doch schon mal Klasse!


Wir haben also wieder einmal die Wahl, zurück ans Meer oder lieber etwas in die Berge. Wir werden wohl in den nächsten Monaten noch X-mal am Meer stehen, also fällt die Wahl vorerst mal auf die Hügellandschaft hinter Alicante. «Berge» ist hier wohl zu viel gesagt, denn die Anhebungen bewegen sich so auf 400 bis 500 Metern über Meer. Der Weg dahin führt uns zuerst nochmals auf die Autobahn, um Valencia grossräumig zu umfahren. Anstatt der Küste entlang in südöstlicher Richtung zur Costa Blanca nehmen wir die Strecke eher ins Landesinnere etwas südwestlich. Alicante ist das Fernziel, dabei passieren wir Alcasser, Alginet, Alberic gefolgt von Albaida, Alcudia und schliesslich Alcoy. Wem es bis hierhin nicht aufgefallen ist, dem sei gesagt, dass hier sehr viele Ortschaften mit «Al» beginnen. Neben den Phönizier, den Kelten und den Römern sind also in jüngerer Zeit auch die Araber hier gewesen und haben ihre Spuren hinterlassen. Als Mauren bezeichnete man die dunkelhäutigen Menschen, die von Nordafrika her kamen. Auf unserem Weg nach Marokko und der Westsahara werden wir ihren Nachkommen bestimmt auch noch persönlich begegnen. Vorerst staunen wir aber nur mal über die wohlklingenden Ortsnamen hier in der Region zwischen Valencia und Alicante. Bei La Sarga verlassen wir die A7 und geniessen nach einer kurzen Bergauffahrt eine beeindruckende Panoramastrasse in Richtung Xixona. Der Blick reicht bis hinunter zum Meer auf die Costa Blanca und den Smog von Alicante.


Ebenso ungewöhnlich wie ihr Name, ist die Ortschaft Xixona, dessen Aussprache übrigens am ehesten mit dem Schweizerdeutschen «schisch scho nah» (oder zu hochdeutsch «es ist schon nahe») wiedergegeben werden kann. Und in der Tat, wir sind schon bald am Ziel des heutigen Tages angelangt. Dennoch haut uns dieses Dorf so überhaupt nicht aus den Socken. Es hat so ganz und gar kein sex-appeal, so dass es fast schon wieder skurril faszinierend wirkt. Ganz im Gegensatz zu der wunderbaren Umgebung, in der es liegt. Ein paar Kilometer weiter verlassen wir die Hauptstrasse und gelangen auf einen sehr schmalen, steil abfallenden Weg ins Tal. Mit unserem Unimog gerade noch machbar. Gegenverkehr oder selbst ein Hund am Strassenrand vermag es aber hier nicht mehr, so schmal ist der Weg auf den letzten fünf Kilometer. Meine Kurventechnik wird nochmals so richtig gefordert, derweil meine Copilotin immer wieder mal Warnung wegen tief hängenden Ästen gibt. Auf den letzten Metern steigt sie dann tatsächlich auch noch aus. Nicht weil sie Angst hat, die schmale Strasse auf der abfallenden Seite nicht zu überleben. Nein, diese Situationen meistert sie in der Zwischenzeit mit Bravur. Sie glaubt aber, dass diese letzten Meter Instagramm Potential haben und somit hält sie die Ankunft am Etappenziel mal lieber mit der Kamera fest.


Vermeintlich im Land der Apachen, im Outback von Alicante

Nach dem Campingplatz in Valencia ist dies hier das komplett richtige Gegenstück. Natur vom Feinsten. Wir stehen auf einer leicht abfallenden Plattform über einer tiefen Schlucht. Gegenüber ragen uns rot-grüne Salzstein Wände entgegen, dahinter bizarre Felsformationen, die jedem Winnetou Film als Kulisse hätten dienen können. Auf der Plattform steht ein alter Baum, einsam und stark. Er scheint diese fantastische Aussicht hier genauso seit Jahrzehnten zu geniessen, wie wir es für ein paar Tage vorhaben. Er gibt uns aber auch die Gewissheit, dass der Untergrund auch bei Regen kompakt genug ist, damit dies nicht unser letzter Standort wird.


Standort mit Aussicht über dem Abgrund...

In der Nacht haben wir dann aber gerade daran plötzlich Bedenken. Starker böiger Wind schüttelt unsere Kiste plötzlich heftig durch. Meine Liebste zweifelt nun doch wieder am Überleben. Es ist schon eine Krux mit der Glückseligkeit. Bei Sonnenuntergang waren wir noch so glücklich und dankbar über unsere zahlreichen Highlights auf unseren Abenteuer und schon fragen wir uns wieder, ob wir denn wirklich das Richtige tun. Um nicht zuletzt auch mich selber zu beruhigen, schreite ich raus in die dunkle Nacht und umkreise mal vorsichtig unser Fahrzeug. Die Tatsache, dass wir uns wie gewohnt auf der etwas tiefer liegenden Fahrzeugseite unsere Luftkissen untergeschoben haben, verstärkt natürlich das Wippen der Karre. Im Grossen Ganzen sieht es aber von hier aussen doch ziemlich harmlos aus. Diese achteinhalb Tonnen fallen nicht ganz so schnell zur Seite, wie man es sich drinnen vielleicht vorstellen könnte. Also entscheide ich mich für komplette Entwarnung und vertrauensvolles Zureden, damit auch meine bessere Hälfte irgendwann mal den verdienten Schlaf findet.


Abendstimmung vom Feinsten

Am kommenden Tag sind wir dann verständlicherweise nicht ganz so ausgeruht, wie wir uns das von einem solchen Traumstandort erhofften. Umso mehr liegt der Entschluss fest, dass wir hier mindestens noch einen Tag bleiben. Vielleicht treffen wir ja noch auf Old Shatterhand oder sonst interessante Menschen. Menschen gibt es hier oben aber erstaunlicherweise sehr wenige. Trotz der relativen Nähe von geschätzten 30 Kilometer nach Alicante, verirren sich hier kaum mehr als drei, vier Personen am Tag. Ab und zu fährt ein Fahrzeug den Berg hinauf oder herunter. Einmal ein Fahrradfahrer und einmal eine Gruppe Motocrosser. Und ja, einmal gab es eine Männer-Wandergruppe, die sich sehr über unser Dasein gefreut haben. Tatsächlich kam am letzten Morgen auch die Guardia Civil vorbei. Sie fuhren gleich neben unseren FRAME ran, stiegen aber nie aus. Sie verbrachten geschlagene fünf Minuten am Handy bevor sie wieder das Weite suchten. Ich hoffe, sie fürchteten sich nicht vor unserem Koloss. Vermutlich googelten sie uns kurz aus und waren zufrieden mit der Friedfertigkeit, die sie auf unseren Seiten entdecken konnten ;-).


...auch die Morgenstimmung ist nicht ohne...

Der Wind war in der zweiten Nacht zum Glück nicht mehr so schlimm. Für die dritte gesellten sich dann auch noch «Mathilda the Van», ein etwas in die Jahre gekommener Mitsubishi Kastenwagen mit ihren zwei stolzen Besitzer Julia und Bela aus Fulda hinzu. Die beiden zwanzigjährigen bauten ihre Mathilda selbständig und mit viel Liebe aus, um nun in Spanien und Portugal rumzutingeln, solange die Geldvorräte reichen. Ein wunderbares Unterfangen im jungen Alter. Wir wünschen ihnen von Herzen gutes Gelingen.


Für uns wird es Zeit weiter zu reisen. Wir haben die Wahl entweder 15 Kilometer den Berg hinunter in direkter Richtung nach Alicante oder den Berg wieder hinauf zu fahren, wo wir hergekommen sind. Da sind es gerade mal fünf Kilometer und wir haben Gewissheit, dass wir da durchkommen. Normalerweise entscheiden wir uns in solchen Fällen für die risikoreichere aber spannendere, da neu und unbekannte Variante. Heute sagt uns aber unsere Intuition, den einfacheren Weg zu wählen. Wer weiss wofür das heute gut war. Wir sind überzeugt, dass unsere Schutzgeister allgegenwärtig sind und uns immer gut beraten. Also geht es bergaufwärts nach Tibi und erst dann wieder runter via A7 Richtung Meer.


Nach einem kurzen Einkaufsbummel im Studentenviertel von Alicante fahren wir nun auf dem schnellsten Weg zum Meer. Der Weg führt uns am Alicante Flughafen vorbei und wir können uns anhand der tausenden von Mietfahrzeugen, die hier auf übergrossen Parkplätzen auf die nächste Touristensaison warten, etwa ein Bild davon machen, wie es hier zur Hochsaison zu und her geht. Es wäre definitiv nicht die Zeit, in der wir hier sein wollten. Eigentlich ja schon verrückt, dass sich die Spanien Saison nur bis Ende Oktober erstreckt. Ist es doch hier auch im Winter immer noch herrlich warm und sonnig. Am Meer angelangt zeichnet sich wieder dasselbe Szenario ab. Leergefegte Strassen, geschlossene Pärke und verriegelte Wohnungen in meist scheusslichen Apartment-Hochhäuser. Ganz im Gegensatz dazu sind die Camper Stellplätze hier am Meer noch ziemlich voll. Wir fahren einmal runter bis Santa Pola ohne einen akzeptablen Platz zu finden. Schnell werden die Erwartungen kurz runtergeschraubt und da ist er dann auch schon, unser Plätzchen am Meer neben einem Österreicher Van. Der Ort ist nett, Hauptsache am Meer. Aber morgen ist unser Hochzeitstag und dafür reicht dieser Stellplatz definitiv nicht. Rund 100 Kilometer weiter südlich soll es einsame Plätze auf den Klippen geben. Wir haben schon mal den Piratenstrand südlich von Aguilas ins Auge gefasst. Da wollen wir unseren 28. Hochzeitstag mit Aussicht und Weitblick feiern. Vom Champagner bis zu den feinsten Leckereien haben wir alles mit. Fehlt uns nur noch der richtige Standort.

Neuer Morgen, neues Glück. Schon schnell sind wir heute abfahrbereit. Unser GPS leistet inzwischen gute Dienste. Zu Beginn waren wir öfters mal frustriert, da es uns Zwischenziele wegrationalisiert hat, um schneller ans Endziel zu gelangen oder weil er nach Tunnels das Signal lange nicht mehr finden konnte. Heute beherrschen wir diese Locus Map Software so gut, dass uns die Navigation Spass macht und wir auch am gewünschten Ziel ankommen. Ist das nicht Klasse? Wenn der Fahrer aber smarter sein will, als sein Navi, dann kann es schon vorkommen, dass es nicht funktioniert. Denn auch heute wollen wir mautfrei bleiben, ignorieren aber die Navi-Stimme, da wir auf der Strecke noch keine entsprechenden Hinweise lesen können. Und schon ist es passiert. Wir stehen vor den Mautschranken und es gibt keinen Weg zurück. Schweren Herzens ziehen wir ein Ticket und fahren auf die menschenleere Strecke. Mautstrecken scheinen hier ein schlechtes Business Modell zu sein. Trotz den horrenden Spritpreisen fährt hier jeder gerne einen Umweg, um die Maut zu vermeiden. Wir rätseln schon, wie viel es für uns wohl ausmachen würde. Oft wird ja nicht nur die Kategorie des Fahrzeuges berappt, sondern auch das Gewicht, die Höhe oder gar die Abgasnormen. Beim Womo-Quartett würden wir wahrscheinlich überall gut punkten. Bei der Maut sind wir diesbezüglich aber die grossen Verlierer.

Die erste Ausfahrt von dieser Mautautobahn kommt erst nach über 15 Kilometer. Hier sind wir aber «in the middle of nowhere» also entscheiden wir uns, trotz der Ungewissheit weiter drauf zu bleiben. Nach gut 30 Kilometer führt die Autobahnschleife wieder zurück zum Meer. Wir bereiten uns für den Exit vor und den Schock der Mautrechnung. Wie ich die Euro 4.75 am Display aufleuchten sehe, bin ich erleichtert. So schlimm war das nun auch nicht. Wenn wir es genau rechnen würden, haben wir mit der direkteren Strecke wahrscheinlich mindestens fünf Euro Diesel gespart. Die Welt ist wieder in Ordnung.


Wir sind einmal mehr in einer menschenleeren Region angelangt. Unser Weg führt uns auf einsamer Strasse einen Pass hinauf, als wir plötzlich rechts eine Tankstelle mit Waschanlage erblicken. Waschanlagen heisst auch fliessend Wasser und genau das würden wir gerne nochmals auffüllen bevor es vielleicht für mehrere Tage auf die Klippen geht. Wir haben zwar immer noch 200 Liter vorrätig, 300 Liter sind aber besser als 200. Auch mit Essen und Trinken sind wir in der Zwischenzeit ja wieder bis unters Dach gefüllt. Wir könnten also mit gefülltem Wassertank die Autarkie optimal auskosten. Gesagt, getan.


Beim Eisessen nach getaner Arbeit begegnen wir noch einer illustren Fahrradgruppe. Ihr habt sie sicher auch schon gesehen oder über sie gelesen. Es gibt sie tatsächlich, die hartgesottenen Endurance Radler, die die Welt auf dem Drahtesel erkunden. Ein Deutscher und zwei junge Frauen aus der Schweiz und Spanien haben sich zufällig getroffen und fahren für ein paar Stunden oder Tage zusammen in dieselbe Richtung. Fehlender Luftdruck in den Reifen hat sie zu einem Halt an der Tankstelle bewogen. Das Gerät an der Tanke funktioniert aber leider heute gerade nicht. So können wir mit unserer Druckluftanlage vom Unimog aushelfen. Ist schon verrückt: Unser Mog fährt mit drei bis vier Bar Druck auf seinen dicken Schinken, die Mädels haben bis zu sechs Bar in ihren schmalen Reifen. Solche Begegnungen sind immer wieder sehr nett und wir staunen stets, wie andere Menschen auch zu ihren Abenteuer gelangen. Hut ab vor diesen Weltenbummler auf Fahrrädern.


Meerrauschen, Fernsicht, Einsamkeit: passt!

Ein paar Kilometer nach Aguilas bestätigt uns die Stimme vom GPS einmal mehr: «Sie haben ihr Ziel erreicht». Der Pirate Beach ist tatsächlich ein gewaltiger Stellplatz auf überschaubaren kleinen Klippen über dem Mittelmeer. Er bietet gleich mehrere Plattformen zum stehen und was wir so nicht erwartet hätten, er ist absolut leer. Wir wählen die unterste Ebene, am weitesten Weg von der schmalen Durchgangsstrasse. Mit dem Tosen der Brandung, werden wir hier ganz bestimmt keine durchfahrenden Autos mehr hören. Zudem kann man den Platz fast gar nicht von der Strasse einsehen. Wir sind also gut getarnt und immer noch etwa 15 Meter über dem Meeresspiegel. Das Setting ist einfach einmalig, wir haben mehrere kleine Pools direkt unter uns zum Baden und die Ausrichtung zur Sonne von Sonnenaufgang bis zum -untergang. Die Wetteraussichten für die kommenden Tage ist sonnig mit Temperaturen um die 22°C. Nichts kann uns davon abhalten, nach dem Hochzeitstag noch ein paar Tage hier anzuhängen.


Das Leben auf Langzeitreisen ist fantastisch, keine Zweifel. Trotzdem braucht es einen Alltag, in dem auch die körperliche Fitness Platz findet. So machen wir das bei FRAME Adventure.... ;-)




Nächster Blog 2.3: Andalusien überrascht uns, WOW!



bottom of page