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2.1 Aufbruch nach Marokko

Aktualisiert: 6. Dez. 2022

Es ist noch nicht einmal ein Monat vergangen seit unserer Rückkehr von unserer Jungfernfahrt nach Rumänien und schon hat uns der Abenteuer-Reisevirus wieder gepackt. Da helfen weder Impfungen noch der fromme Wunsch, Weihnachten vielleicht doch zuhause feiern zu wollen. Wenn dieser Virus zuschlägt, bist du geliefert. Zugegeben, die übliche Novemberkälte hat stark dazu beigetragen, dass mein Gfrörli Brigitte viel schneller als erwartet wieder grünes Licht zum Aufbruch gegeben hat. Innerhalb einer Woche ab Entschluss, sind wir also wieder auf der Strasse. Da reicht es kaum noch alle Liebsten richtig zu verabschieden, aber wir bleiben ja, wie immer, im regen Austausch.


Trüb, neblig, kalt: Auf geht's in den Süden

Ein ungeschriebenes Gesetz heisst bei uns, wenn das Thermometer unter 11°C fällt, dann ist es Zeit in wärmere Gefilde aufzubrechen. Wärmer heisst in diesem Fall Richtung Süden, immer schön der Sonne nach. An diesem nebligen Novembersonntag waren höchstens 9°C vorausgesagt. Es ist also auch wettertechnisch höchste Zeit, uns wieder in Bewegung zu setzen. Selbstverständlich haben wir in den vergangen vier Wochen der Reisepause noch so einiges an unserem Fahrzeug und der Ausrüstung optimiert, dazu war ja die Testfahrt in die Karpaten auch gedacht. Der kleine Elektroheizer bleibt nun zuhause, denn wir glauben, dass wir auf unseren Kurzreisen alleine mit der Dieselheizung allfällige Kältepassagen gut überbrücken können. Ein handfester Sandspaten für die Wüste muss natürlich nun mit, den mit nur einem kleinen Klappspaten geht ein Overlander nicht in die Sahara. In der Boardküche hat die Küchenchefin so manches umorganisiert. Das eh schon äusserst vorzügliche Essen kann dadurch kaum noch besser werden, aber es macht ihr vielleicht nun noch mehr Spass, die hungrige Crew kulinarisch zu verwöhnen.


Mit einem weinenden und einem lachenden Auge machen wir uns also auf und davon. Nicht aus dem Staub aber aus dem kalt nassen Nebel, der an diesem ersten Reisetag über der ganzen Schweiz liegt. Erst an der Grenze nach Genf sehen wir zum ersten Mal die Sonne. Wir haben uns auch jetzt wieder für die mautfreie Strecke entschieden - durch Frankreich und Spanien - auch wenn wir zu Beginn so schnell wie möglich in den Süden gelangen wollen. Für mein Gfrörli wieder angenehmere Temperaturen und ans Meer, das ist das primäre Ziel der ersten drei, vier Fahrtage.


Die erste Etappe führt uns also hinter Genf noch eine weitere Fahrstunde Richtung Lac de Nantua. Wir liegen sehr gut im Zeitplan, denn wir profitieren vom Sonntagsbonus. Zur Zeit planen wir die Ankunft am Etappenziel generell spätestens bis 16 Uhr, um die Fahrt in der Dämmerung zu vermeiden. Es ist nun kaum 14 Uhr und wir haben nur noch eine kurze Strecke bis zum Nantua See übrig, als wir auf der linken Seite ein grosses merkwürdiges Gebäude entdecken. Wir halten an, um dieses etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Es handelt sich um ein ehemaliges Eisdepot, den Glacieres de Sylans am gleichnamigen See. Der Natur nach zu beurteilen ist es in diesem Tal tatsächlich eher feucht und schattig. Die Moos bewachsenen Bäume sind dafür wohl der eindrücklichste Beweis.



Eine gute Viertelstunde später sind wir dann auch schon am Ziel des ersten Reisetages angelangt. Ein alter Mann am Stock versichert uns, dass wir hier beruhigt stehen bleiben können. Natürlich interessiert ihn auch noch unser auffälliges Fahrzeug. Gerne erzählen wir hier in Frankreich, dass unser Unimog ja eigentlich auch Franzose ist. Er hat sein erstes Leben doch in der Feuerwehr von Bordeaux verbringen dürfen. Die Franzosen erscheinen uns hier in Frankreich viel aufgeschlossener und kommunikativer als wir sie während unseres Expat Lebens kennengelernt haben. Im Ausland bleiben sie nämlich gerne unter sich, der französisch sprechenden Community. Hier kommen wir aber gleich am ersten Tag mit zahlreichen Abendspaziergänger ins Gespräch.


Tag zwei soll uns satte 400 Kilometer bis nach Millau bringen. Dort erhoffen wir uns schon deutlich wärmere Temperaturen. Ob wir diese Mammutdistanz aber auch wirklich schaffen, hängt sehr vom Verkehr und unserer einzigen Aufgabe, der Betankung von Diesel und Gas ab. Wir haben ja seit dem Burgenland nicht mehr Diesel (und seit der Fahrzeugübernahme im März (!) noch nie Gas) aufgetankt und spekulieren seitdem auf die hier in Frankreich im Vergleich günstigeren Diesel- und Gaspreise. Der Plan ist in Saint-Etienne von der Autobahn weg und am Stadtrand eine entsprechende ausgekundschaftete Tankstelle anzufahren. Kurz vor Saint-Etienne lesen wir dann aber auf den grossen Autobahnhinweistafeln, dass die nächste Autobahntankstelle keinen Diesel mehr hat. Wir sind uns der politisch geschürten Energieknappheit durchaus bewusst, doch bis jetzt blieb diese ja noch ohne spürbaren Schwierigkeiten. In unseren düstersten Vorstellungen sehen wir schon den Supergau: Mitten in Frankreich mit leeren Tanks gestrandet. Und es kommt schlimmer. Die erste geplante Tankstelle ist schon mal komplett geschlossen. Die zweite hat zwar noch Benzin, aber auch keinen Diesel mehr. Wir werden sichtlich nervös. Ich spreche einen Lastwagenfahrer an, wo er denn seinen Diesel besorge und er meint, dass nicht alle Tankstellen komplett leer sein können. Er empfiehlt einfach weiter zu suchen. Wir witzeln, dass wir ja im Notfall mit unserem 30-jährigen Getriebe auch auf Frittenöl umsteigen könnten. Das können wir tatsächlich, erfordert aber einen 2'000 Euro «chirurgischen» Eingriff und den Abgasgestank wollen wir uns gar nicht erst vorstellen. Vermutlich als führe McDonalds durch die Strassen. Bei der dritten und letzten Tankstelle vor der Wiederauffahrt auf die Autobahn, werden wir schliesslich fündig. Zu Euro 1.799 füllen wir mal den komplett leer gefahrenen Haupttank. Er fasst 240 Liter, nach gut 60 Liter geht aber an dieser Zapfsäule auch nichts mehr. Ob wir wohl gerade die Tankstelle leer gesaugt haben? Ich starte einen zweiten Tankvorgang und, siehe da, es funktioniert. Der Dieselgott hat uns erhört. So tanke ich halt viermal links und zweimal rechts und schlage der Energiekrise vorerst mal noch ein Schnippchen. Ob uns das nun schon bis Marokko bringt, muss sich noch zeigen. Zumindest können wir die nächsten 2'000 Kilometer wieder zurücklehnen. Gas hat diese Tankstelle aber keines. GLP, wie es hier in Frankreich heisst, bekommt man eben nur in auserlesenen Tankstellen. Der Gasstand war aber auch bei der letzten Lesung immer noch bei knapp 40%. Bis auf 20% kann man ruhigen Gewissens entleeren, bleiben uns also noch rund 20%, was noch einige Wochen des Kochens bedeutet, bis es wirklich eng wird. Unsere erste Gastank Auffüllung haben wir schliesslich dann doch auch noch in Frankreich geschafft. Für läppische elf Euro tanken wir nach über einem halben Jahr wieder mal auf. Wir gehen davon aus, dass dies wiederum für mindestens sechs bis acht Monate reichen wird.


Plateau du Palais-du-Roi

Nach dieser Dieseljagd reicht es uns nun nicht mehr vor Nachteinbruch bis Millau. Wir beziehen am Ufer vom Lac de Charpal Stausee auf rund 1'300m.ü.M ein sehr idyllisches Nachtlager unter Bäumen. Die Nacht wird nochmals ziemlich frisch und unsere Sehnsucht nach Wärme und Meer umso grösser. Bei dichtem Nebel fahren wir frühmorgens auf schmalen Strassen wieder den vom Plateau du Palais-du-Roi hinunter. Die gigantische Autobahnbrücke von Millau sehen wir uns lieber von der Ferne an und entdecken durch diesen kleinen Umweg das gleichnamige Städtchen und die schroffen Bergzüge weiter südlich.




Gegen Mittag drückt dann endlich etwas Sonne durch den Nebel. Die Strecke führt uns über zahlreiche riesige Brücken auf dem Weg abwärts, Richtung Süden. 10% Gefälle sind hier keine Seltenheit und immer wieder gibt es die Notfallspuren, wo man seinen Truck in den Sand setzen kann, falls die Bremsen bei diesem enormen Gefälle versagen sollten. Die Franzosen verstehen es nicht nur gute Baguettes zu machen, sie bauen auch ganz gerne und oft enorme Brücken. Chapaux!


Endlich am Meer bei 20°C plus

Die Distanz, die wir gestern wegen der Dieselkrise nicht geschafft haben, können wir auch heute noch nicht aufholen. Trotzdem erreichen wir aber vorerst unser eigentliches Zwischenziel: Wir sind am Meer bei guten 20°C, kurz vor Perpignan. Der Ort, wo wir uns für die Nacht installieren wollen, besteht, wie fast überall hier, aus zahlreichen Ferienwohnhäusern und ist zu dieser Jahreszeit, Mitte November, entsprechend leergefegt. Ein paar überwinternde Rentner und etwas Lokalbevölkerung trifft man aber immer wieder und stets sind sie mit netten Sprüchen über unser XXL Fahrzeug oder den auffälligen Fatbikes schnell im Gespräch. Nachts lauschen wir dann endlich den Wellen und geniessen durch unser Dachfenster den Anblick des Sternenhimmels. So stellen wir uns das vor, auf unserer Reise nach Marokko.



Am vierten Tag geht es schliesslich in unser Land Nummer sieben. Wir überqueren in gewohnter Manier ganz ohne Kontrolle die Grenze nach Spanien. Es fällt auf, dass noch sehr viele Campervans unterwegs sind. Einen Overlander, sprich Expeditionsfahrzeug, haben wir aber bis heute noch keinen einzigen gesehen. Das wird sich wohl spätestens in Marokko ändern.


In Girona halten wir an einem Einkaufszentrum, um uns endlich mit SIM Karten auszurüsten. Für die paar Tage in Frankreich haben wir nämlich darauf verzichtet und wir vermissen es schon, mit unseren Liebsten zu kommunizieren. Heute beziehen wir daher schon sehr zeitig unser Nachtlager, um den Abend ausgiebig dem Chatten zu widmen. Wir haben uns als Stellplatz eine Ranch, die Agrobotiga von Mas Bes, ausgesucht, wo wir gleich auch wieder frisches Wasser auftanken können. Auf einer Viehfarm zu nächtigen hat zwar zwei grosse Nachteile. Erstens riecht es oft sehr streng und zweitens ist es ab fünf Uhr in der früh nicht mehr wirklich erholsam und ruhig. So war es auch wieder hier auf Mas Bes. Wir schreiben in unser Logbuch, dass wir Höfe dieser Art in Zukunft vermeiden sollten. Noch vor dem Frühstück verlassen wir die Stätte fluchtartig und trinken unseren morgendlichen Kaffee neben einem kleinen Park in sicherer Distanz und frischer Luft.

Nach diesem Dufterlebnis zieht es uns wieder unweigerlich ans Meer. Die Route führt uns, wie so oft, über die AP7. Diese verläuft quasi parallel zur A7. Es scheint verrückt, zwei Autobahnen parallel in dieselbe Richtung zu bauen. Wir vermuten mal, dass es auf der ersten zu eng wurde und daher die zweite erst viel später dazu kam. Heute sind beide mautfrei und je nach Ausfahrt, die man anstrebt, benutzt man die eine oder die andere. Autobahn Hopping nennen wir das, mal AP7, mal A7.


Die Vegetation wird zunehmend trockener, so das typische spanische Landschaftsbild, das man gerne vor Augen hat. Überall, wo Landwirtschaft betrieben wird, sieht man Orangen- und Mandarinenplantagen. Teilweise so weit das Auge reicht, überall nur die orange leuchtenden Kugeln. Wie Weihnachtsschmuck glänzen die Zitrusfrüchte in der tief stehenden Wintersonne. Dazwischen sehen wir natürlich auch immer wieder Olivenhaine, Artischocken und vieles mehr, was wir nicht immer gleich auf Anhieb erkennen.


In der Region von Calafat nehmen wir die Ausfahrt und fahren hinunter ans Meer. Ein riesiger fast ebener Parkplatz erstreckt sich etwa 50 Meter über der Wasseroberfläche. Eine fantastische Aussicht bietet sich uns hier und wir sind uns schnell einig, hier bleiben wir für die Nacht. Wie immer stellen wir uns erst einmal hin, steigen aus und laufen unseren potentiellen Übernachtungsplatz zu Fuss ab, um die beste Lage und Ausrichtung zu besprechen. Auf dem Parkplatz steht bereits, gut verteilt, etwas Weissware. Da könnten wir, wollen wir aber nicht unbedingt stehen. Wir entscheiden uns im Anschluss an den grossen Parkplatz auf einer Naturstrasse zirka 150 Meter auf eine Klippe zu fahren. Das ist ein gebührender Stellplatz für einen Overlander. Vermutlich nicht ganz legal, aber in der Nebensaison kann man das riskieren. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt oder wie heisst es doch so schön?



Wir feiern nun unsere definitive Ankunft in Spanien mit einem Glass Cava vor einer dramatischen Klippen-Kulisse und sogar mit Doppelregenbogen. Wir schweben gerade mal auf Wolke sieben, als dann doch die Polizei vorbeischaut und uns höflich bittet, uns doch zur Weissware zu gesellen. Na gut. Es war ein Versuch wert und hat ja auch für ein paar Stündchen gut funktioniert.

Geburtstagsessen von der Aussenküche am Strand

Neben dem beruhigenden Rauschen der Wogen ist dir noch etwas fast sicher am Meer: Tolle Morgen- und Abendstimmungen. So haben wir das auch am folgenden Tag, meinem Geburtstag. Ich kenne viele, die sich als Geburtstagsgeschenk wünschen, mal Unimog fahren zu dürfen. Ich darf an meinem Geburtstag gleich vier Stunden fahren ;-). Auf gehts zum nächsten Highlight auf unserer Entdeckungsreise, auf nach Valencia.


Auf der Autobahn treffen wir dann endlich auf die lang erwarteten ersten Overlander. Die «Zug»-Vögel Elisabeth und Kurt fahren mit ihrem Unicat Mercedes zur Überwinterung von Zug nach Portugal. Beim Überholen auf der Autobahn bleibt es vorerst mal beim Zuwinken. Wie es der Zufall will, stehen wir dann aber am nächsten Tag auf dem Campingplatz in Valencia gleich nebeneinander in der «Schweizer» Ecke. Valencia steht ganz oben auf der spanischen Wunschliste von Brigitte. Insbesondere die «Ciudad de las Artes y las Ciencias», (Stätte der Künste und Wissenschaften) ein architektonisches Meisterwerk von Stararchitekt Calatrava erfreut dort so ziemlich jeden Fotografen. Selbstverständlich entdecken wir auch diese Stadt bevorzugt auf unseren Fatbikes. Die zahlreichen Radwege gewähren uns sicheren Zugang zum Zentrum, wie auch zum Hafen. Das Tüpfelchen auf dem «i» ist schliesslich unsere erste Paella Valenciana, die wir am Sonntagnachmittag, genau eine Woche nach Reisebeginn, bei strahlendem Sonnenschein und richtig heissen Temperaturen auf der Hafenrestaurant-Terrasse von Valencia geniessen.



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