Die Rückfahrt mit der Fähre von Nordzypern in die Türkei ist bedeutend einfacher als die Hinfahrt. Nur wenig Verspätung beim Ablegen derselben Fähre, alles bei Tageslicht, ohne Komplikationen und Überraschungen, weder beim Prozedere an der Grenze noch beim Liftfahren im Fährenbauch. Bis wir schliesslich von Bord und bei der Immigration durch sind, ist es aber trotzdem schon dunkel und wir legen uns gleich ausserhalb des Hafengeländes an einem Fischer Steg zur Ruhe. Fährefahren ist für FRAME vielleicht eine wohlverdiente Pause, für uns ist es aber genau so anstrengend, wie hinter dem Steuer. Auf jeden Fall sind wir nach einem Tag, wie heute todmüde.
Die Fahrt entlang der Küste der Südtürkei haben wir uns sehr gemütlich und romantisch vorgestellt. Wir haben schon mehrere schöne Buchten und Strände im Visier, um uns nach einer kurvenreichen Fahrt auch immer wieder gebührend zu erholen. Leider wird daraus nichts, denn wir verlieren schon wieder Vorgelegeöl am linken Vorderrad. Zuerst vermuten wir gar es könnte Bremsflüssigkeit sein, was da an den Bremsscheiben runterrinnt. Sowohl Bremsflüssigkeit, wie auch Vorgelegeöl führen wir zwar stets in Reserve mit und trotzdem ist ein permanenter Verlust alarmierend und kann nicht einfach nur mit Nachfüllen behoben werden. Unsere «Geschmacksanalyse» resultiert im Befund: Es ist Vorgelegeöl. Der Dichtring, den wir in Nordzypern ersetzt bekommen haben, scheint nicht wirklich dicht zu sein. Ob das nun an der Tatsache liegt, dass es kein Originalteil ist, oder dass es nur ein einlippiger Ring anstatt ein zweilippiger ist, sei dahin gestellt. Mit mulmigem Gefühl fahren wir der Küste entlang Richtung Westen und suchen im Internet schon mal nach einer Garage. Ein zweites Mal wollen wir aber kein unsachgemässes Teil bekommen, also suchen wir auf Empfehlung einer LKW Werkstatt eine der sehr spärlich gesäten Mercedes Truck Garagen in Antalya auf, um nun endlich das richtige Ersatzteil einverleibt zu bekommen. Und dann die Schocknachricht: Zehn bis vierzehn Tage Lieferzeit wird uns prognostiziert. Na gut, es gibt Schlimmeres, als im Frühjahr in der Südtürkei festzustecken. Schnell gewöhnen wir uns an den Gedanken, hier gestrandet zu sein. Wir nutzen die Zwangspause und suchen uns einen schönen Stellplatz am Meer. Nach einer Woche wird aber auch der irgendwie langweilig. Also fügen wir noch eine Woche in den Bergen hinzu an den türkisgrünen Gewässern bei den Canyon Enthusiasten. Schliesslich kommt am Tag 15 endlich der Bescheid, dass das gute Teil nun doch noch eingetroffen ist. Nichts wie hin in die Werkstätte und raus mit dem undichten Teil aus Nordzypern.
oben: Erste Woche am wilden Strand von Mavikent
unten: Zweite Woche in den Wäldern des Körülü Canyon
Mit dieser Intervention haben wir gut und gerne drei Wochen versäumt. Drei Wochen, während denen wir eigentlich gerne endlich einmal wenigstens einen Teil der Türkei kennenlernen wollten. Immerhin haben wir während dieser unfreiwilligen Wartezeit von einer neuen Schweizer Bekanntschaft (Danke lieber Markus!) vernommen, dass es wohl doch auch in der Winterzeit Fähren zwischen der Türkei und Griechenland gibt. Eine Minifähre fährt täglich einmal von Cesme nach Chios, eine dieser zahlreichen griechischen Inseln, die kaum zehn Kilometer vor der türkischen Küste liegen. Von dort kann man dann in einer Nacht bis nach Piräus verschiffen. Klingt nach einer gelungenen Abkürzung, um wieder etwas Zeit gut zu machen und von Chios haben wir ja auch von unseren Marokko Weggefährten Turtle Groove nur Gutes gehört.
Nach einem kurzen Treffen mit unserem neuen türkischen Freund und Unimog Besitzer Kerem am Strand in der Nähe von Göcek geht es noch zur Entgegennahme unseres neuen Fahrzeug Kontrollschildes, das alte ist uns ja während der Sumpf Odyssee in Nordzypern abhanden gekommen. Das neue Schild hat es mit DHL Express in satten 25(!) Tagen von Zürich nach Dalaman geschafft. Man führe sich das mal vor Augen: Im heutigen Amazon Zeitalter schafft es eine reputierte Logistik Gesellschaft, einen Umschlag der Grösse A4 von wenigen hundert Gramm im wohlgemerkten «Express» Verfahren - und entsprechenden Kosten – in 25 Tagen gerade mal 2000 Kilometer zu verschieben. Das sind ja nicht einmal 100 Kilometer pro Tag. Da waren wir ja bei den Militärradfahrer vor 40 Jahren schon leistungsfähiger. Danke DHL, aber uns werdet ihr als Kunden nicht mehr so schnell sehen…
Die nun folgenden zwei Tage bis zur Küstenstadt Cesme sind sowohl strecken technisch, wie auch von den Übernachtungsorten sehr reizvoll und entlocken uns das Versprechen, dass wir die Türkei einmal eigenständig und ausgiebig bereisen wollen. Auch Istanbul fällt der neuen Streckenführung nun schon zum zweiten Mal zum Opfer. Aber nach diesem Zeitplan Chaos folgt nun Chios!
oben: Die Burg der Hafestadt Cesme mit Blick (o.r.) auf die griechische Insel Chios
unten: klein aber fein, die Mini-Fähre für die 10 Km nach Griechenland
Auf der Fähre findet neben unserem FRAME gerade noch ein weiteres Fahrzeug platz. Zugegeben, im Bauch der Fähre wurden auch nochmals drei verstaut, aber trotzdem wird das zur kleinsten und auf den Kilometer umgerechnet auch mit Abstand zur teuersten Fähre, die wir je erleben durften. Fähren sind aber wie Flugzeuge: Wenn du sicher am Ziel ankommst, sind sie eigentlich unbezahlbar. Wir treffen gerade nach dem Sonnenuntergang in der Inselhauptstadt Chios ein und schaffen es vor dem Dunkelwerden noch ganz knapp hinauf auf den Berg. Im Grundsatz sind wir ja die perfekten Planer, die jedes Detail gerne im Voraus vorbereiten. Bei der Ankunft auf Chios haben wir uns aber tüchtig verplant. Es ist heute nämlich Samstagabend und weder die Telekom Läden für eine neue SIM Karte noch Einkaufsmöglichkeiten für Lebensmittel sind heute Abend oder gar morgen Sonntag geöffnet. Wir entscheiden uns trotzdem mal auf eine bergische Offroad Strecke zu fahren, denn unsere Vorräte sind noch immer im grünen Bereich.
Die Strassen auf Chios sind eng, steil und kurvig. Wir vermuten mal, das wird in ganz Griechenland so sein. Ein starker Kontrast zu den Autobahnen, die die Türken selbst quer durchs Gebirge ziehen. Die grösste Gefahr hier für uns ist also weniger das Steckenbleiben oder Absaufen im Sumpf, sondern vielleicht mal keine Wendemöglichkeit mehr zu haben oder nicht an den am Strassenrand geparkten Autos vorbeizukommen. In der Tat ist es auffallend auf Chios, dass die Bäume am Wegrand ungehindert in die Strasse hineinwachsen, was für uns bedeutet, dass wir uns kaum ausschliesslich auf der rechten Spur halten können, sondern gerade da fahren, wo genügend Platz ist. Somit bekommt nicht nur der Gegenverkehr grössere Beachtung, sondern auch der Blick in den Rückspiegel geschieht schon alle paar Sekunden.
Und so erwischt es uns schon beim Besuch des ersten Bergklosters, dem Moni Agiou Markou. Schon wieder haben wir vergessen, was für ein Wochentag wir haben. Es ist nun Sonntag und das Kloster ist gerade voll zur Messe und, ja klar, der ganze Wendeplatz ist zugeparkt, ein geordnetes Abstellen unseres Fahrzeuges unmöglich. Wir stellen uns in die zweite Parkreihe, sodass ein Passieren gerade noch möglich ist. Einmal mehr ist unsere Geduld gefragt. Irgendwann wird der Gottesdienst vorbei sein und die Kirchgänger werden ihre Fahrzeuge wieder ins Tal bewegen. Wir geniessen in der Zwischenzeit die tolle Aussicht, profitieren sogar vom Handyempfang mit unserer alten SIM vom zehn Kilometer entfernten türkischen Festland.
Wie die Strasse endlich frei wird, werfen auch wir wieder den Motor an. Der zu erklimmende Gipfel unserer Begierde liegt eigentlich gleich vor unserer Nase, nur ein paar Kilometer südlich von diesem Kloster. Für heute wählen wir aber einmal die lange Route, aussen herum, um auch noch an einer Wasserstelle unseren Tank zu füllen. Einmal im Aufstieg wird es richtig eng. Auch hier kaum noch Wendemöglichkeiten. Wir angeln uns regelrecht von einer zur nächsten, allzeit bereit alles rückwärts zu fahren, sollte es plötzlich keine nächste mehr geben. Es sind noch knapp zwei Kilometer, klingt wie ein Kinderspiel. Wer auf der Talseite sitzt, wird damit wohl nicht einverstanden sein. Immerhin steigt Brigitte heute nie aus! Es mag ihr zu heiß oder zu windig sein oder sie gewinnt langsam das Vertrauen in meine Fahrkünste. Von der Topografie der Karte zu beurteilen, sollten wir auf dem Pass eine eher flache und vom heftigen Nordwind geschützte Plattform vorfinden können. Und tatsächlich, ein traumhafter Spot erwartet uns auf guten 600 Metern über Meer. Mit einem zweiminütigen Fussmarsch auf den Gipfel empfangen wir sogar immer noch türkisches Internet Signal.
Wir haben unseren Spot gefunden, hier bleiben wir bis der Wind wieder nachlässt und vergnügen uns derweil mit Wanderungen bei fantastischem Panorama in alle Himmelsrichtungen.
Die Rückfahrt nach Chios Stadt lehrt uns einmal mehr mit unseren zwei Meter dreissig Breite und drei Meter fünfundvierzig Höhe richtig umzugehen. Umsichtige Verkehrsteilnehmer klappen die Rückspiegel der vor uns geparkten Fahrzeuge gleich reihenweise ein. Orangen kullern über unsere Solarpaneele auf den Boden und die Äste zahlreicher Bäume kitzeln unseren Mattlackierung. Einzig von Hausecken und Balkonen gelingt es uns einen gebührenden Abstand zu halten. Und das soll die Hauptstrasse durch Chios sein? Das kann ja noch heiter werden.
Wir erledigen unsere Einkäufe im Städtchen, buchen gleich schon mal die Überfahrt nach Athen und sind schon bald wieder auf dem Weg, nun Richtung Südwesten zu den schönsten Stränden dieser Insel.
Der Süden ist etwas flacher und somit auch mehr bewohnt und bebaut als der wildere Norden. Und trotzdem finden wir uns auch hier immer wieder mutterseelenallein. Der Karinta Beach liegt an einem dieser zahlreichen türkisblauen kleinen Buchten, wo man meist auch ohne Allrad Fahrzeug bequem hinkommen kann.
Auf den Karinta Beach folgt das wohl fotogenste kleine Städtchen Pyrgi, in dem wir uns durch die schmalen Gassen schleichen wie in Venedig, immer auf der Suche einer fotografischen Besonderheit. Weiter geht die Fahrt im Uhrzeigersinn um die Insel. Die Strassen sind gut ausgebaut und an die «Baumfallen» haben wir uns in der Zwischenzeit gewöhnt. Unsere Blicke schweifen immer wieder in diese unsagbaren paradiesischen Buchten mit dem kristallklaren türkisblauen Wasser. Mein Gott ist diese Erde schön!!
Impressionen Pyrgi
Ganz im Westen angelangt, erspähen wir noch von weit oben einen Overlander am Strand von Siderounta. Gleich daneben liegt die etwas kleinere Tigani Bucht. Wir fahren hinunter und hoffen ein eigenes Plätzchen zu finden. Am Tigani Beach steht tatsächlich auch schon ein weisser Van, ganz einsam und verlassen im Wäldchen neben dem Kiesstrand. Ein Berner, namens Reiner. Aber ausser Reiner war da keiner ;-). Er offeriert sein Strandparadies mit uns zu teilen, was uns natürlich sehr freut. Wir fahren aber trotzdem noch kurz in die nächste Bucht Richtung Overlander, um uns nichts entgehen zu lassen. Tatsächlich finden wir hier unser eigenen Garten Eden in der Nachbarschaft von one.life.truck.it, zwei netten jungen Menschen auf dem Weg nach Australien, wohin denn sonst?
Wir geniessen unser kleines Paradies und chillen in der Hängematte oder im kristallklaren Wasser. Hier hat es nicht einmal Quallen, wie wir sie in der Südtürkei oder selbst auf Zypern noch teilweise gesehen haben. Die Tage bis zur gebuchten Fähre verstreichen im Nu, wie immer, wenn es am Schönsten ist.
Impressionen Siderounta Beach
Auch über Griechenland werden wir leider nicht mehr berichten. Auch Griechenland wird warten müssen, um von uns bereist und entdeckt zu werden. Die Pflicht zuhause ruft, wir fahren mal kurz zurück!
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