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2.4 Stürmischer Start in Afrika

Es ist Samstag, das dritte Adventswochenende und tatsächlich wachen wir heute wieder einmal mit Sonnenschein auf. Es verspricht ein toller Tag und ein Meilenstein in unserer Abenteuerreise nach Marokko zu werden. Heute klappt die Morgenroutine besonders gut und schnell, sodass wir schon vor neun Uhr auf dem Weg zum Fährenhafen von Algeciras sind. Wir peilen die 10:30 Uhr Fähre an. Sollten wir diese aus irgendwelchen Gründen nicht erreichen, gibt es um 14:00 Uhr einen Backup. Auch später gibt es Möglichkeiten mit der gewählten AML Linie nach Afrika überzusetzen, aber dann würden wir es bestimmt nicht mehr im Tageslicht bis an einen vernünftigen Übernachtungsplatz schaffen.

Selbstverständlich läuft alles rund. Wir überpünktlichen Schweizer sind sogar die allerersten die für die zweite Morgenfähre durchs AML Tor fahren. «Als erste rein» könnte aber auch bedeuten «als letzte wieder raus». Diese Fähre, wie sich herausstellt, ist kein RORO Typ, sondern man fährt da rückwärts auf die Fähre, um dann vorwärts wieder runterzufahren. Das Rückwärtsfahren gehört bis heute noch nicht zu meiner Lieblingsdisziplin. Insbesondere hier auf der Fähre, wo man mit eingeklappten Rückspiegeln sich mit knapp einer Handbreite Abstand zwischen Lastwagen und Fährenwand klemmen muss. Aber auch das klappt schliesslich einwandfrei, Einweiser sei Dank!



Tanger Med: Speditivster Fährenhafen Marokkos

Wir geniessen die Hafenatmosphäre und die Überfahrt in vollen Zügen. Kurz vor dem Anlegen in Tanger Med gibt's dann zum Abschluss doch noch ein wenig erhöhten Seegang. Und schon rollen wir auf afrikanischen Boden. Wir haben es geschafft. Halt! Da war doch noch etwas. Ach ja, die Grenze. Wir wurden belehrt, unbedingt darauf zu achten, dass wir auch für unser Fahrzeug die Grenzbescheinigung haben, ansonsten es bei der Ausreise Probleme geben kann. Das Hafengelände von Tanger Med ist so irrsinnig gross, dass wir plötzlich unsicher werden, ob eines dieser Kontrollpforten nun schon die wirkliche Grenze war. Nach gefühlten zwei Kilometern auf und ab vor der imposanten Fährenkulisse, fahren wir schliesslich auf einen kleinen mehrspurigen Grenzstau auf. Unverkennbar, das ist der Zoll! Man fragt nach unserem QR Code. Haben wir nicht. Hätten wir angeblich schon auf der Fähre bekommen sollen. Ein kurzes Hin und Her und schon händigt uns der nette in zivil gekleidete Oberzollmeister einen klitzekleinen Zettel mit einem QR Code aus. «Unbedingt bis zur Ausreise behalten» heisst die Empfehlung. Ganz ohne irgend ein Türchen von unserem FRAME öffnen zu müssen, sind wir nun also in Marokko eingereist. Mein Gott, wie vermisse ich jetzt meine Drohne. Hätte ich bloss! Aber nein, es ist uns vielleicht später auch wohler, wenn wir dieses potentielle Spionagegerät nun halt nicht dabei haben ;-)


Die ersten Kilometer auf afrikanischem Boden fühlen sich schon irgendwie speziell an. Sehr bald haben wir uns aber an den neuen Anblick gewöhnt. Dank dem vielen Regen der letzten Tage ist es hier nicht ganz so ausgetrocknet, wie das in dieser Gegend vermutlich üblich ist. Überall spriesst grün aus dem lehmigen Boden. Wir staunen so über ziemlich alles hier. Schlechtere Strassen, viele Männer mit den warmen Mützengewänder und immer wieder tolle Sicht auf das Mittelmeer. Wir fahren an Ceuta vorbei Richtung Südosten. Die Polizeipräsenz auf den Strassen ist erstaunlich hoch und für uns sehr gewöhnungsbedürftig. Alle paar Kilometer eine Strassensperre und Fahrzeugkontrollen. Für uns scheinen die offensichtlich nicht zu sein, denn wir werden immer rasch durchgewunken. Ist dies nur hier wegen den vielen Flüchtlingen, die via der spanischen Enklave Ceuta nach Europa kommen wollen? Wir werden es im Verlauf der Reise feststellen.


Unser Tagesziel ist ein einsamer Stellplatz am Asmir Stausee. Die Fahrt in diese Einsamkeit führt über unwegsames Gelände mit vielen Wasserpfützen. Ach wie sind wir immer wieder froh, dass wir nicht mit Weissware unterwegs sind. Da hätten die Achsen vermutlich schon am ersten Tag Marokko aufgegeben.


Unser erster Standplatz in Afrika

Wir kommen noch ans Ziel, kurz bevor der sonnige Samstag auch schon zu Ende geht. Ein heftiges Gewitter und Sturmböen fegen über uns hinweg und lassen unsere Kabine wieder mal richtig schaukeln. In der Zwischenzeit haben wir ja komplettes Vertrauen, dass unser Wagen auf soliden Rädern steht und ans Umkippen nicht zu denken ist. Irgendwie fühlen wir uns aber nachts wie im Kinderwagen, mit dem Mutter Natur mal eben freudig tanzt.


Mal Regen, mal Sonne und fast immer stürmischer Wind

Einfach & bescheiden: Standplatz im Garten von Ahmed

Unsere erste Station in Marokko ist Chefchaouen, die blaue Perle. Wir wollen diese Stadt aber keinesfalls bei schlechtem Wetter besuchen und warten daher geduldig bis das Sturmtief, das Marokko und die Iberische Halbinsel seit Tagen in Schach hält, vorbei zieht. Am dritten Tag des Harrens am Stausee werden wir ungeduldig und fahren nun doch schon mal zurück an die Küste, weiter südostwärts, wo die Wetterfrösche etwas Wetterbesserung versprechen. Wir finden Unterschlupf bei Ahmed, direkt am Strand und am Dorfende von Oued Laou. Der Fassadenwechsel tut gut und in der Tat zeigt sich hier hin und wieder schon mal die Sonne.


Das wechselhafte Wetter lässt uns auch bei Ahmed nicht im Stich


Bauernhof Idylle mit grosszügigen kulinarischen Geschenken unseres Gastgebers


Selbst die Fischer kümmern sich bei diesem Wetter lieber um die Landarbeiten.

Bild Mitte: Bereitstellung der Tintenfisch-Fallen


Auf der Fahrt hinauf nach Chefchaouen

Wir sind nun schon fast eine Woche auf dem Kontinent und trotzdem erst etwa 100 Kilometer vom Landungsort entfernt. Wir geniessen zwar die «fahrlose» Zeit genau so, wie das Fahren und dennoch wächst in uns der Drang nach neuen Abenteuern und Entdeckungen. Gemäss Wettervorhersage ist das Ende der Schlechtwetterlage schon seit Tagen auf den vierten Adventssonntag prognostiziert. Spätestens an diesem Sonntag wollen wir also die blaue Perle durchforsten. Nach drei Tagen in den fürsorglichen Händen von Ahmed fahren wir dann endlich hinauf in die Berge. Chefchaouen liegt auf knapp 600M ü.M. und ist von Norden her auf einer zweispurigen neuen und nachts gut ausgeleuchteten Strasse erreichbar. Diese Infrastruktur lässt während der Hauptsaison auf einen riesigen Touristenandrang schliessen. Heute fahren wir hier ganz solo hinauf bis zum Campingplatz über der blauen Stadt. Bereits am Samstagnachmittag verziehen sich die letzten Wolken des hartnäckigen Sturmtiefs und wir uns endlich hinunter in die Stadt.





Es ist heute der 17. Dezember. Ein Tag, der in die Marokkanische Geschichte eingehen wird, denn heute findet das letzte Spiel Marokkos an der Fussball Weltmeisterschaft in Katar statt. Ob sie es gewinnen oder verlieren ist schon fast einerlei. Die Marokkaner sind doch DIE Überraschungsmannschaft dieser WM. Die Überraschungsserie hat am Tag unserer Überfahrt nach Marokko angefangen. Wir sind also quasi ihre Glücksbringer von der Schweiz. An diesem denkwürdigen Samstag gewinnen sie nämlich eher unerwartet gegen Portugal. Nach einem unverdienten Ausscheiden gegen Frankreich spielen sie nun heute noch ein letztes Mal gegen Kroatien, um den dritten Platz dieser denkwürdigen Fussballweltmeisterschaft. Die Strassen von Chefchaouen sind ab 16 Uhr wie leergefegt. Wo immer sich ein funktionierender Fernseher befindet, scharen sich dahinter Marokkaner, Kopf an Kopf. Die weniger glücklichen starren vor ihrem Geschäft sitzend unbeirrt auf ihr Handy oder hören zumindest dem Fussballreporter zu. An Geschäfte machen ist in diesen Stunden nicht zu denken. Macht nichts, wir geniessen die leeren Gassen und die Gelegenheit, die blaue Perle ganz ohne Touristen vor die Linse zu kriegen. Wer nun wissen will, warum in Chefchaouen alles so faszinierend blau ist, der schaue sich doch unser Kurzvideo dazu an.



Hauptherausforderung: Das Umfahren von tiefen brüchigen Wasserrinnen

Nach zehn Tagen Regen und vor allem Sturm folgen nun hoffentlich ebenso viele Tage Sonnenschein und Wärme. Zumindest sehen die Wetterprognosen zur Zeit wieder sehr positiv aus, was uns dazu antreibt, die Atlas Überquerung nicht auf dem schnellsten, sondern dem abenteuerlichsten Wege zu planen. Der Tizi n Ait Imi und der Tizi n Fougani sollen es sein. Zwei Dreitausender Pässe, die zu den spektakulärsten und abenteuerlichsten Atlasüberquerungen Marokkos zählen. Dieser Plan motiviert uns schon am folgenden Tag knappe 200 Kilometer bis vor die Toren von Fes zu fahren. Diese Königsstadt, die zweitgrösste Stadt Marokkos, ist sozusagen unser Hub für die Querung des Hohen Atlas. Der Weg dahin führt uns über Hauptverkehrsachsen Richtung Süden, wo wir in einer Mondlandschaft um den Sidi Chahed Stausee erst mal Nachtlager beziehen. Wie so oft, wenn es uns an einem magischen Ort gut gefällt, schalten wir einen Rasttag ein. Rasten, heisst aber nicht nur ruhen, sondern uns um all die Sachen kümmern, die wir im Reisealltag nicht zu erledigen vermögen. Nach dieser langen Schlechtwetterperiode sind das insbesondere auch wieder Arbeiten ausser- und unterhalb des Fahrzeuges. Betriebsmittelkontrollen, Pflege von Bikes, Solarpanelen und Reserverad etc.




Morgenstimmung in rot


Hier am Sidi Chahed stehen wir zirka hundert Höhenmeter über dem ausgewiesenen Park4Night Übernachtungsplatz. Eine wunderbare Plattform, die ohne Unimog nicht zu machen ist. Wir geniessen einmal mehr das Privileg, dort zu stehen, wo andere nur sehnsüchtig heraufschauen können. Gleichzeitig sind wir verdutzt, dass dieser See trotz der langen Regenperiode noch so gut wie leer ist. Da fehlen mindestens noch 20 Meter Wasser. Die Wasserknappheit scheint also keinesfalls schon gebannt. Zwei Wochen Regen füllen offensichtlich noch keinen Stausee. Wieder was gelernt.


Standplatz im Diamant Vert Camping in Fes

Nach der Regeneration ist es nun wieder Zeit für Trubel. Wir stürzen uns für einen Tag in die Medina von Fes. Wir sind vorgewarnt, dass man sich in diesem Wirrwarr von engen Gassen unweigerlich verirrt. Na mal sehen, wie wir das meistern.


Als Einstieg in die Medina dient das Blaue Tor. Wir lassen uns von einem von der Strasse gecharterten Taxi absetzen. In Marokko teilt man sich auch ein kleines Taxi mit anderen Kunden. Wenn immer ein Platz frei ist, bemüht sich der Taxifahrer am Strassenrand winkende Kundschaft einzufangen. So gesellen sich immer wieder neue Kunden zu uns auf den zirka elf Kilometern vom Campingplatz im Süden bis zur Medina im Norden von Fes.

Ausgangspunkt der Medina: Blaues Tor

Mit Foto- und Videokamera ausgerüstet stürzen wir uns ins Getümmel und lassen uns treiben. Die beste Orientierung gibt wohl das Gefälle, denn der Ausgangspunkt am Blauen Tor scheint ganz oben dieses historischen Zentrums zu sein. Wir fühlen uns unweigerlich ins 14. Jahrhundert zurückgesetzt. Zumindest, wenn wir nicht gerade vor einem Telekom- oder Souvenirgeschäft stehen. Fes war ja lange Zeit die Hauptstadt Marokkos. Erst seit 1912 transferiert diese zum heutigen Rabat. Als kulturelle und spirituelle Hauptstadt gilt sie aber bis heute.


In einem der zahlreichen Geschäften mit faszinierender Handwerkskunst der marokkanischen Atlas- und Wüstenstämme bewundert Brigitte ein riesiges Geklunker aus Steinen, Silber und Ketten. Geschätztes Gewicht, mehrere Kilos. Ob dies wohl ein Kamelschmuck sei, fragt sie den Ladenbesitzer. «Nein, nein», winkt der ab und lacht herzlich. «Das ist gedacht als Mitgift für die Braut. Je grösser dieses Teil, desto reicher der Bräutigam». Wie bei uns das Hochzeitskleid, wird auch hier ein solches Prunkstück nur ein einziges Mal im Leben getragen, an der Hochzeit. Vermutlich nur für wenige Minuten, ansonsten die zarte Braut wohl Gefahr läuft, unter dem Gewicht zusammenzubrechen.

Enge Gassen, schmale Läden



Die engen Gassen sind zu dieser Jahreszeit sehr angenehm, das heisst wenig gefüllt. Trotzdem lassen wir es uns nicht nehmen eine kleine Verschnaufpause auf einer der imposanten Dachterrassen Restaurants zu gönnen. Beim Anblick der Medina von hier oben kommt mir unweigerlich der James Bond Film in den Sinn, in dem sie ihn über die Dächer einer solchen Altstadt jagen. Das Leben hier oben ist um so vieles ruhiger und entspannter, als das unten in den geschäftigen Gassen. Wir geniessen einen traditionellen marokkanischen Minzentee, die Wärme und das Privileg hier sein zu dürfen.


Kunterbunte Ladenauslagen


Süsses und Wasser an fast jeder Ecke


Handwerkskunst ganz nah miterleben


Fes ist auch bekannt für seine Lederwaren und ein Besuch in einer traditionellen Gerberei darf einfach nicht fehlen. Eher zufällig entdecken wir den Eingang zu einem mehrstöckigen Ledergeschäft. Der Inhaber lotst uns auch gleich auf seine Dachterrasse, um uns das Gerberhandwerk von oben zu zeigen. Die bekannten Gerüche der zum Gerben verwendeten Taubenscheisse halten sich in dieser kühlen Jahreszeit, Gott sei Dank, in Grenzen. Trotzdem würden wir auf keinen Fall mit den Gerbern tauschen wollen, die da unten bis zur Hüfte in den bunten Becken stehen. Ich lerne: Kamelleder ist für Taschen und das geschmeidigere Ziegenleder für Kleidung. Wobei es sich in Marokko ausschliesslich um Dromedare und nicht um Kamele handelt. Man erinnere sich an die zweite Primarklasse Biologie, respektive Zoologie: Ein Höcker gleich Dromedar, zwei Höcker gleich Kamel ;-)



Meine Frau bleibt trotz des riesigen Angebots an tollen Lederwaren standhaft und kauft heute nichts. Für mich gibt es aber später einen schönen braunen Ledergürtel, denn ganz ohne Souvenir können wir ja Fes auch nicht verlassen.


Trotz all den Warnungen finden wir am Abend ganz ohne Hilfe wieder aus der Medina raus und setzen uns hungrig in ein kleines Riad, um endlich einmal die gute marokkanische Küche zu degustieren. Angeblich wurde dieses schmucke kleine Restaurant soeben von den Amerikanern leergegessen. Bleiben noch Suppe und Pastilla. Gut für einen Appetizer, aber unseren grossen Hunger stillt das noch nicht. Ein paar Meter weiter finden wir dann ein tolles 5-Sterne Hotel, das uns "den Rest geben soll". Sein freundlicher deutscher Hoteldirektor kann für uns zwar keinen Platz in seinem voll besetzten Restaurant zaubern, er bringt uns aber netterweise gleich persönlich zurück ins Stadtzentrum, damit wir besser zu einen Taxi kommen.


Von der El Hansali Staumauer gestauter Oum Er-Rbia Fluss

Eigentlich hätte dieser Blog in Fes zu Ende sein sollen, wenn es da nicht diese wohl ereignisreichste Nacht unserer Marokko Reise gegeben hätte. Nach einer strapaziösen Etappe von über 200 Kilometern von Fes Richtung Hoher Atlas, stehen wir einmal mehr an einem der zahlreichen Stauseen (s. oben). Wir geniessen gerade den Sonnenuntergang, die Stille und die frische Luft, die wir in der Grossstadt so vermisst haben. Es ist schon halb dunkel, da klopft es an der Türe und ein netter Marokkaner in Begleitung verkauft sich als Hilfs-Sheriff der örtlichen Polizei. Er informiert uns höflich, dass wir hier nicht übernachten sollten aus nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen. Ich erkläre ihm, dass ich zu dieser Stunde der angebrochenen Dunkelheit mich leider nicht mehr in der Lage fühle, die schmale Piste mit den bei den Wasserläufen sehr prekären Löchern gefahrlos zu meistern. Aus Sicherheitsgründen wollen wir nachts nicht fahren und um diese Zeit nach Sonnenuntergang einen neuen Standplatz zu finden, führt unweigerlich zu einer längeren Fahrt im Dunkeln. Der junge Mann zeigt Verständnis für unsere Bedenken und lässt auch schnell von seinem Vorhaben ab. Kaum eine Stunde später steht da aber die Royal Gendarmerie mit Blaulicht vor unserem Unimog. Nun sind es zwei Uniformierte und ein zivil Gekleideter, die versuchen uns mit drei Jahre alten Geschichten von alkoholisierten Verrückten von hier zu entfernen. Während der eine Polizist ganz klar einen Auftrag seines Vorgesetzten durchzuboxen versucht, sympathisiert der andere stark mit uns und wird auch gleich zum Follower unseres Instagramms. Für mich ist das Risiko im Dunkeln eins dieser Löcher zu treffen aber viel grösser, als dass uns hier wirklich sonst was geschehen könnte. Zudem hört sich die Geschichte des einen einfach unglaubwürdig an vor den Gesten des uns zustimmenden zweiten Gendarmen. Nachdem wir beide unsere Argumente zum x-ten mal ausgetauscht haben, beginnen die Herren zu telefonieren. Sie telefonieren und telefonieren und erlauben mir schliesslich wieder in meine «Gemächer» zurückzukehren. Sang und klanglos ziehen sie schliesslich von dannen. Wir glauben die Schlacht schon gewonnen zu haben und fallen todmüde ins Bett. Kurz vor Mitternacht weckt uns lautes Motorengeräusch und gibt uns alsbald das Gefühl, dass die Angelegenheit doch noch nicht ausgestanden ist. Vier Blaulichtfahrzeuge und insgesamt zwölf Mann Besatzung der königlichen Gendarmerie stehen vor unserem FRAME. Ausgerechnet der Rädelsführer, ein relativ junger, gut aussehender Marokkaner ist der einzige ohne Uniform. Ohne Zweifel, er ist der Platzhirsch hier und hat das Sagen. Er steht im langen Mantel breitbeinig vor mir und pafft an seiner Zigarette. Auch ohne Pferd und Colt erinnert er mich stark an Clint Eastwood im «Spiel mir das Lied vom Tod». Ich habe die Lage natürlich schnell erkannt, musste mich aber doch zuerst für ein paar Minuten vergewissern, dass ich das alles wirklich nicht träume. Ich versuche mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass meine erste Fahrt im Dunkeln tatsächlich über diesen prekären Weg hinauf zur Landstrasse führen würde. Brigitte willigt ein. Aus dieser Geschichte kommen wir sonst nicht raus.

Um Mitternacht von der Royal Gendarmerie wegeskortiert

Noch halbwegs im Pyjama schmeissen wir uns ans Steuer und starten widerwillig die Motoren. Für solche Nachtarbeit im Notfall haben wir ja eigens installierte Flutlichter auf dem Dachträger. Die schalten wir heute zum ersten Mal in wirklicher Dunkelheit ein und sind verblüfft, wie krass die Nacht zum Tage wird. Eskortiert von der Gendarmerie Royale fahren wir im Blaulicht Konvoi fast 20 Kilometer bis zu ihrer Zentrale. Dort dürfen wir uns einen Platz zum Übernachten frei aussuchen. Unwissend, wo genau wir hier gelandet sind, legen wir uns nun zum zweiten mal ins Bett und erwachen am nächsten Morgen tatsächlich vor den Toren der Militärkaserne, die sich gleich neben der königlichen Polizei befindet. Vermutlich haben wir in Marokko noch nie so behütet geschlafen, wie in dieser Nacht. So unangenehm die Situation auch aussehen mag, die Beamten waren immer äusserst freundlich und haben ja eigentlich einfach nur die Befehle ihrer Vorgesetzten befolgt, die aus der Sicht eines Touristen nicht zwingend nachvollziehbar sein müssen. Auf jeden Fall sind wir dankbar, dass auch dieses Abenteuer so ein positives Ende nahm. Jetzt sind wir wohl definitiv in Afrika angekommen.


Eingeschlafen mit Blick auf den Oum Er-Rbia. Aufgewacht vor den Toren der Militärkaserne


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